Fallbeispiel

Schweizer Konzerne stützen das Militärregime in Myanmar

In Myanmar geht die Militärjunta gewaltsam gegen die Zivilbevölkerung vor. Während die internationale Gemeinschaft versucht, die Finanzierung des Gewaltregimes mittels Sanktionen zu verhindern, führten Genfer Konzerne, die mit Luxusschmuck oder Treibstoff handeln, die Geschäfte im Land auch nach dem Militärputsch fort. Damit tragen sie ungestraft zu den schweren Menschenrechtsverletzungen der Militärjunta bei.

Luftaufnahme eines Dorfes in Myanmar nach einem Luftangriff mit brennenden Häusern
Luftangriff des birmanischen Militärs auf die Bevölkerung ©STR-AFP

Im Februar 2021 übernahm die birmanische Militärjunta durch einen Staatsstreich die Macht über die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi und unterdrückt seither gewaltsam jede Opposition. Zwei Jahre später sind gemäss aktuellsten Zahlen 3’240 Menschen getötet worden, über 17’000 werden unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten und über 1,5 Millionen wurden vertrieben. Die UNO stellte fest, «dass die Armee systematische und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche begangen hat» und sprach von «Massakern» und «Verbrechen gegen die Menschlichkeit». Am 11. April 2023 starben im Dorf Pazigyi – bei einem der verheerendsten Luftangriffe gegen die eigene Bevölkerung seit der Machtübernahme – rund 100 Menschen.

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Der Militärputsch reiht sich ein in eine lange Reihe von Missbräuchen durch die Junta, deren Macht auch während der demokratischen Zwischenphase von 2016 bis 2021 sehr stark war. Insbesondere der Oberbefehlshaber General Min Aung Hlaing und andere hochrangige Armeeangehörige wurden von den Vereinten Nationen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen die muslimische Minderheit der Rohingyas im Jahr 2017 verantwortlich gemacht. Mindestens 10’000 muslimische Rohingya wurden damals umgebracht und 750’000 nach Bangladesch vertrieben, wo sie vor der Gewalt des Militärs Schutz suchen.

Obwohl diese schweren Verletzungen des Völkerrechts schon lange bekannt sind und das Regime unter internationalen Sanktionen steht, setzten mehrere in Genf ansässige Konzerne ihre problematischen Geschäfte in Myanmar auch nach dem Militärputsch von 2021 fort und finanzierten damit nicht zuletzt die gewaltsame Unterdrückung der Zivilbevölkerung mit.

Birmanische Edelsteine wurden auch 18 Monate nach dem Staatsstreich noch in die Schweiz importiert

Rubine aus Myanmar sind aufgrund ihrer aussergewöhnlichen Reinheit und Farbe sehr begehrt und erzielen daher auf dem Markt hohe Preise. Doch seit vielen Jahren ist klar, dass die Rubinförderung unter der strengen Kontrolle des Militärs und weiterer bewaffneter Gruppen steht. Unter dem Druck der Öffentlichkeit haben deshalb mehrere Schmuckhersteller öffentlich erklärt, dass sie ihre Edelsteine seit dem Völkermord an den Rohingya im Jahr 2017 nicht mehr direkt aus Myanmar beziehen würden.

Im Dezember 2021 zeigte die NGO Global Witness jedoch auf, wie einige Luxus-Juweliere sogar nach dem Militärputsch immer noch Rubine aus Myanmar importierten und vermarkteten. Laut Zollstatistik wurden zwischen 2016 und 2022 birmanische Edelsteine im Wert von 144 Millionen Franken in die Schweiz importiert. Und auch nach dem Putsch von 2021 wurden die Importe noch über 18 Monate lang fortgesetzt.

Rubine werden in Minen in Myanmar geschürft ©Thierry Falise / Getty

Eine Rubinhalskette mit Rubinen aus Myanmar auf der Webseite von Van Cleef & Arpels

Ein Beispiel für einen Genfer Juwelier, der gemäss eigenen Angaben erst im Verlauf vom Jahr 2021 den Import von Rubinen aus Myanmar einstellte, ist Van Cleef & Arpels – eine Tochtergesellschaft des Genfer Luxusgüterkonzerns Richemont. Noch Monate nach dem Militärputsch empfand es Van Cleef & Arpels als nicht nötig, sich klar von den Rubinimporten aus Myanmar zu distanzieren, wie aus einem Artikel von Le Temps im Juni 2021 hervorgeht. Sogar heute präsentiert das Unternehmen noch birmanische Rubine auf der Website.

Rubinexporte finanzieren die Armee

Insbesondere seit dem Militärputsch von 2021 ist es definitiv nicht mehr möglich, die Augen vor den schweren Menschenrechtsverletzungen zu verschliessen, die von der Militärjunta begangen werden und die mit dem Edelsteingeschäft in Verbindung stehen. «Derzeit ist es unmöglich, Rubine aus Myanmar zu handeln, ohne eine brutale Militärjunta zu finanzieren und/oder zu dem Konflikt und den Menschenrechtsverletzungen beizutragen», betont Global Witness in seinem Bericht.

Mitglieder der birmanischen Armee marschieren an Parade in Myanmar
Mitglieder des birmanischen Militärs ©STR-AFP

Die Kontrolle des birmanischen Militärs über die Edelsteinbranche reicht aber schon viel länger – bis in die 1990er Jahre – zurück und wird hauptsächlich durch zwei mächtige Militärkonglomerate, die Myanmar Economic Corporation (MEC) und die Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL), ausgeübt. Nach und nach haben diese beiden die Kontrolle über zahlreiche Minenstandorte übernommen – insbesondere in der Region Mogok, aus der 90 Prozent der gemeldeten Rubinproduktion Myanmars stammen. Es gibt noch weitere Unternehmen, die im Edelsteinabbau tätig sind, aber fast alle sind gemäss Global Witness in irgendeiner Weise mit dem Militär oder mit bewaffneten Gruppen verbandelt. Bereits 2019 stellte ein Bericht der Vereinten Nationen klare Verbindungen zwischen Menschenrechtsverletzungen durch das Militär und dem Abbau von Edelsteinen insbesondere über MEHL und MEC her. Beide unterstehen heute US-amerikanischen, europäischen und schweizerischen Sanktionen.

Genfer Rohstoffkonzern versorgte die Armee mit Treibstoff

Ein weiterer skandalöser Fall wurde Ende 2022 von Amnesty International aufgedeckt: Puma Energy, ein in Genf ansässiges Unternehmen, das sich mehrheitlich im Besitz vom Rohstoffkonzern Trafigura befindet, übernahm auch nach dem Militärputsch von 2021 noch über Monate eine zentrale Rolle bei der Versorgung der birmanischen Armee mit Flugtreibstoff. In einem Bericht dokumentiert die Menschenrechtsorganisation detailliert den Weg des Treibstoffs zu vier birmanischen Militärstützpunkten und zeichnet nach, wie der Konzern an praktisch jeder Phase der Lieferkette beteiligt war. Weiter zeigt Amnesty International auf, wie diese Militärbasen als Ausgangspunkte für schwere Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung dienten, die als Kriegsverbrechen gelten.

Luftaufnahme eines Dorfes in Myanmar nach einem Luftangriff mit brennenden Häusern und Rauchsäulen
Brennende Häuser nach einem Luftangriff des birmanischen Militärs auf die Bevölkerung. ©STR-AFP

Die NGO dokumentierte 16 Angriffe zwischen März 2021 und August 2022, bei denen mindestens fünfzehn Zivilist:innen getötet und mindestens 36 verletzt wurden, sowie Häuser, religiöse Gebäude, Schulen, medizinische Einrichtungen und ein Lager für Geflüchtete zerstört wurden. Am 26. September 2022 konfrontierte Amnesty International Puma Energy mit den Ergebnissen des Berichts. Zehn Tage darauf gab das Unternehmen bekannt, dass es das Land verlassen und seine Niederlassung in Myanmar verkaufen werde. Bis im Dezember 2022 sind Treibstofflieferungen dokumentiert, in die Puma Energy involviert war.





Diese beiden Beispiele zeigen einmal mehr, dass das Versprechen von freiwilliger Selbstregulierung von Konzernen reine Augenwischerei ist. Mit einem Konzernverantwortungsgesetz hätten Konzerne wie Van Cleef & Arpels und Puma Energy ihre problematischen Aktivitäten schon vor Jahren beenden müssen. Oder sie müssten heute dafür geradestehen, wenn ihre Aktivitäten zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen haben – so wie es in Myanmar der Fall ist.

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