Fallbeispiel

Schweizer Konzerne Allseas und Glencore bedrohen Tiefsee

Die «The Metals Company» möchte tausende Meter tief im Meer Metalle abbauen – mit dramatischen Auswirkungen für Flora und Fauna. Unterstützt wird die Firma vom Schweizer Rohstoffkonzern Glencore und dem weitgehend unbekannten Offshore-Baukonzern Allseas.

Deep Sea Mining bedroht ein einzigartiges Ökosystem in der Tiefsee. ©Aleksander Semenov

Die Tiefsee beginnt ab einer Tiefe von 200 Metern unter der Meeresoberfläche. Obwohl es in dieser Tiefe sehr dunkel und kalt ist und der Druck steigt, je tiefer man sinkt, beleben hunderttausende Arten die Tiefsee. Viele sind weitgehend unbekannt und haben ungewöhnliche Formen, um in dieser Tiefe überleben zu können. Ein bekanntes Säugetier, das in iese Tiefen vordringt, ist beispielsweise der Pottwal, der hier auf die Jagd geht. Auch Riesenkalamare, die als Seeungeheuer über Jahrhunderte in Erzählungen eingingen, leben in dieser Tiefe. Dazu kommen unzählige weitere Arten wie der Vampirtintenfisch, die Seefledermaus, Laternenfische oder verschiedenste Quallen-Arten, ganz zu schweigen von unzähligen Kleinstlebewesen und Mikroorganismen, welche ein integraler Bestandteil des Gesamtökosystems der Ozeane sind.

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Die potenziellen Schäden dieser Arbeiten sind immens. ©Nautilus Minerals

Bergbau am Meeresgrund

Die allermeisten Meeresflächen gehören nicht einem einzelnen Land, sondern gelten als «Erbe der Menschheit» – gehören also der Allgemeinheit. Entsprechend ist es bislang nicht erlaubt, die Tiefsee auszubeuten. Das möchte das Unternehmen «The Metals Company» (TMC) nun ändern: Mit gigantischen Maschinen will die Firma in 3’000 – 6’000 Metern Tiefe Metalle abbauen. Um metallhaltiges Gestein (sogenannte Manganknollen) zu fördern, saugen die Fahrzeuge die obersten 15 cm des Meeresbodens ein. TMC möchte so an Mangan, Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink gelangen. Doch das führt zu einer ganzen Reihe direkter und indirekter Umweltprobleme: Einerseits saugen die Maschinen nicht nur die Metalle, sondern alles ein, was in ihre Nähe kommt: Fische, Quallen und Krebse sterben, wenn sie in die Maschinen gelangen. Andererseits zerstört das Einsammeln der Knollen auch einen speziellen und fragilen Lebensraum. Zahlreiche Organismen kommen ausschliesslich in solchen Tiefsee-Ebenen mit einer Konzentration von Manganknollen vor, viele leben um oder auf den Knollen.  Und in der Tiefsee wächst und reproduziert sich alles extrem langsam; der Eingriff in diesen über hunderttausende von Jahren gewachsenen Lebensraum hätte entsprechend irreparable Schäden zur Folge. 

Da die Tiefsee kein isoliertes Ökosystem ist, sind die potenziellen Schäden durch den Mineralabbau am Meeresgrund aber noch weitreichender: Der Tiefseeboden spielt eine wichtige Rolle in der Nährstoffzirkulation im Ozean, weshalb sich Eingriffe am Meeresboden indirekt auch auf die Nahrungskette auswirken könnten. Der Tiefseeboden bindet zudem CO2, welches durch die Abbauarbeiten freigesetzt werden könnte. Durch das von den Maschinen verursachte Aufwirbeln des Meeresbodens sowie beim späteren Auswaschen der Knollen entstehen zudem in unterschiedlichen Wassertiefen Sedimentwolken, die sich über hunderte Kilometer ausbreiten und damit schädliche Auswirkungen auf verschiedene Ökosysteme und Lebewesen bis hin zu Fischbeständen haben könnten. Manganknollen enthalten zudem auch radioaktive Elemente, deren Konzentrationen internationale Grenzwerte teils massiv überschreiten. Daraus ergeben sich weitere potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung der Manganknollen, aber auch bei der Nutzung der daraus gewonnenen Produkte.

Unbekannte und schützenswerte Lebewesen werden vom Deep Sea Mining bedroht. ©Schmidt Ocean Institute

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Aufgrund der Risiken haben sich mittlerweile zahlreiche Staaten (darunter Grossbritannien, Mexiko und Kanada) für ein Moratorium für Tiefseebergbau oder sogar für ein komplettes Verbot (Frankreich) ausgesprochen. Auch der Bundesrat sprach sich im Juni 2023 für ein solches Moratorium aus. Trotzdem wollen zahlreiche Konzerne aus der Bergbau- und Offshore-Industrie – auch aus der Schweiz – schon möglichst bald mit dem kommerziellen Abbau der Metalle in internationalen Gewässern beginnen. Geht es nach ihnen, starten schon 2025 die ersten Abbauarbeiten.

Mit riesigen Maschinen werden Manganknollen in der Tiefsee abgebaut. ©William Mackenzie

Glencore, Allseas und Transocean möchten vom problematischen Geschäft profitieren 

Die «The Metals Company» (TMC) ist zwar eine kanadische Firma, hat aber gewichtige Verbindungen in die Schweiz. So gehört fast 20% der Firma der Allseas Group, die für TMC sowohl einer der grössten Aktionäre als auch der wichtigste Geldgeber ist. Der in der Schweiz weitgehend unbekannte Konzern Allseas hat seinen Sitz im fribourgischen Châtel-Saint-Denis. Er ist spezialisiert auf den Bau von Offshore-Plattformen – beispielsweise für Ölbohrungen – oder das Legen von Offshore-Pipelines. Zudem hat Allseas für TMC ein zuvor für Ölbohrungen genutztes Schiff für den Tiefseebergbau umgebaut sowie ein Fahrzeug für den Abbau der Manganknollen hergestellt. Tests haben bereits stattgefunden und die beiden Unternehmen rechnen damit, Ende 2024 bereit zu sein für einen viel grösseren, kommerziellen Betrieb. Doch Allseas ist nicht der einzige Player aus der Schweiz: So ist der berüchtigte Schweizer Bergbaukonzern Glencore ebenfalls am Geschäft interessiert. Glencore war einer der ersten Investoren in die «The Metals Company» und hat sich zudem vertraglich die Abnahme von 50% der Metalle, die TMC in einem riesigen Gebiet im Pazifik fördern möchte, gesichert.

Und auch der US-Konzern Transocean, der seit 2018 seinen Sitz in Steinhausen (ZG) hat, möchte vom Tiefseebergbau profitieren: Der Konzern ist in der Schweiz relativ unbekannt, gehört aber zu den weltweit grössten Unternehmen im Bereich Offshore-Bohrungen – zum Beispiel für die Erdölförderung. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte der Konzern als Betreiberin von «Deepwater Horizon», einer Bohrplattform im Golf von Mexiko, die 2010 aufgrund von zahlreichen Versäumnissen in Brand geriet und eine gigantische Ölkatastrophe verursachte. Transocean einigte sich mit den USA auf eine Strafzahlung von 1,4 Milliarden US-Dollar.

Der CEO der «The Metals Company» beim Börsengang in New York ©Ashley Gilbertson / The New York Times

Transocean hat 2022 eine Minderheitsbeteiligung an der Firma Ocean Minerals LLC erworben, die ebenfalls Tiefseebergbau betreiben möchte. Im Februar 2023 übernahm Transocean über eine Tochterfirma zudem Anteile an Global Sea Mineral Resources (GSR). Wie Allseas hat auch GSR mit dem Patania II schon ein Fahrzeug zum Abbau der Manganknollen am Meeresboden entwickelt und getestet. Als Teil des Deals erhält GSR von Transocean das Bohrschiff Olympia, welches für den kommerziellen Tiefseeabbau umgerüstet werden soll.

Darum braucht es ein Konzernverantwortungsgesetz

Damit es in Zukunft nicht mehr möglich ist, dass Konzerne ein ganzes Ökosystem gefährden, ohne dafür geradestehen zu müssen, braucht es ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz. Die gerade neu revidierten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sprechen denn auch davon, dass Konzerne negative Auswirkungen auf die Umwelt verhindern müssen – dabei spricht die OECD explizit auch die Zerstörung von Ökosystemen in den Weltmeeren oder den Süsswasserseen an.

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