Fallbeispiel

Gewalt und Umweltzerstörung in Guatemala rund um Solways Nickelmine

Seit Jahren wehrt sich die lokale Bevölkerung im guatemaltekischen El Estor gegen die verheerenden Auswirkungen einer Nickelmine des Schweizer Konzerns Solway Investment Group. Nun zeigt eine im März 2022 veröffentlichte Recherche mehrerer internationaler Medien nicht nur, dass der Konzern für die Vergiftung von Wasser und Luft verantwortlich ist, sondern auch, wie skrupellos er vorgeht, um die Probleme zu vertuschen.

Die indigene Maya Q’eqchi’-Bevölkerung wehrt sich seit Jahren gegen die Umweltverschmutzung durch die Fénix-Nickelmine und Verarbeitungsanlage und die damit einhergehende Bedrohung ihrer Lebensgrundlage in El Estor in Guatemala. Die Mine liegt direkt am Izabal-See, dem grössten See Guatemalas. Die vor Ort tätigen Unternehmen Compañia Guatemalteca de Níquel (CGN) und Pronico sind die Tochterfirmen der Solway Investment Group mit Sitz in Zug. 
Polizei und staatliche Sicherheitskräfte reagieren auf die Proteste der Bevölkerung mit brutaler Repression und der Konzern versucht immer wieder die Menschen einzuschüchtern. Im Jahr 2017 kam es zu einer Protestwelle, weil sich der Izabal-See plötzlich rot verfärbte und zahlreiche Fische und andere Tiere starben. Die Mine wurde rasch als Quelle der Verschmutzung verdächtigt. Bei einer Demonstration wurde der Fischer Carlos Maaz von der Polizei erschossen. 

Solway ist verantwortlich für die Umweltzerstörung

Solway hat stets vehement abgestritten, für die Umweltverschmutzungen im Umfeld der Mine Fénix verantwortlich zu sein. Recherchen des internationalen Journalist:innennetzwerks Forbidden Stories haben im März 2022 aber aufgezeigt, dass der Konzern über die Verschmutzung durch die Mine Bescheid wusste und alles tat, um diese zu verheimlichen. Dem Konzern lagen Daten aus Studien zur Wasser- und Luftqualität vor, die aufzeigen, dass giftige mineralische Abfälle in die Gewässer um die Mine gelangten und dass die Feinstaubbelastung hoch ist. Ein interner Bericht zeigt auf, dass die rote Verfärbung des Sees zumindest teilweise von Sedimenten aus der Mine stammte. Die Nickelkonzentration des Feinstaubs ist gemäss Expert:innen so hoch, dass sie zu akuten Vergiftungen oder über längere Zeit zu Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. 

Credit: Forbidden Stories

Interne Dokumente zeigen skrupelloses Vorgehen

In den Unterlagen finden sich auch Beweise, wie Solway «Schlüsselakteure» schmierte und der Nationalpolizei von Guatemala, die immer wieder äusserst brutal gegen Protestierende vorgegangen ist, grosse «Spenden» zukommen liess. Die Unterlagen zeigen weiter, dass überlegt wurde, die Proteste gegen die Mine zu zerschlagen, indem Gerüchte über angebliche HIV-Infektionen der lokalen Anführer gestreut oder Felder in Brand gesteckt werden sollten. Ein Journalist, der über die Proteste der lokalen Bevölkerung berichtete und Solway kritisierte, wurde vom Konzern überwacht. 

Der Konflikt

Im Jahr 2019 hat das guatemaltekische Verfassungsgericht festgestellt, dass die Lizenz der Mine illegal vergeben wurde und angeordnet, dass die Aktivitäten der Mine innerhalb der Lizenz suspendiert werden müssen, bis eine Konsultation der von dem Projekt betroffenen indigenen Bevölkerung gemäss ILO-Übereinkommen 169 durchgeführt worden ist. Seither hat sich der Konflikt aber immer weiter zugespitzt. Weil Solway das Urteil des Verfassungsgerichtes nicht richtig umsetzte und Teile der Mine trotzdem weiterbetrieben hat, haben indigene Aktivist:innen im Herbst 2021 mit einer Strassenblockade die Zufahrt zur Mine für siebzehn Tage versperrt. Die Polizei versuchte die Strassenblockade aufzuheben. Nach rund zwanzig Tagen wurde das friedliche Protestcamp durch hunderte Polizisten, die mit massivem Einsatz von Tränengaspetarden gegen die Demonstrierenden vorgingen, gewaltsam aufgelöst. Am 24. Oktober 2021 verhängte die guatemaltekische Regierung dann in der ganzen Region El Estor den Ausnahmezustand. Dieser ging mit massiver Repression gegen die Zivilbevölkerung einher: Das Militär wurde aufgeboten, Menschen wurden verhaftet, Häuser durchsucht und es galt eine Ausgangssperre. 

Derweil trieb das guatemaltekische Bergbauministerium den vom Verfassungsgericht verlangten Konsultationsprozess, damit die Firma ihre Minenlizenz behalten darf, weiter voran. Dieser stellte sich als Farce heraus: So kann unter einem Ausnahmezustand, der die Grundrechte der Bevölkerung massiv einschränkt, keine Rede sein von einer «freien» Konsultation. Auch durften nicht alle Betroffenen daran teilnehmen. Er entsprach damit in keiner Weise den Anforderungen nach internationalen Standards (ILO 169). Trotzdem wurde er im Januar 2022 als erfolgreich beendet erklärt. Das Bergbauministerium hat in der Folge die suspendierte Lizenz für das Projekt wieder aktiviert, Solway kann seine Minenaktivitäten offiziell wieder aufnehmen. Die Konflikte vor Ort sind damit nicht gelöst: Die Menschen leiden weiterhin unter dem Verlust ihrer Lebensgrundlage wegen der Vergiftung von Luft und Wasser durch Solways Nickelmine.

Solway übernimmt keine Verantwortung

Solway streitet nach wie vor sämtliche Vorwürfe ab und übernimmt keine Verantwortung. Der Konzern behauptet gegenüber Forbidden Stories, sich an sämtliche nationalen und internationalen Regeln zu halten und durch das Schweizer Departement für auswärtige Angelegenheiten und dem Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft überwacht zu werden. Spätestens seit der Verabschiedung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte ist klar: Selbst wenn ein Staat wie Guatemala die Menschenrechte nicht garantiert, haben private Konzerne eine unabhängige Verantwortung, diese zu respektieren.

In einem offenen Brief an die Konzernleitung hat die Koalition für Konzernverantwortung zusammen mit 20 Organisationen die Solway Investment Group aufgefordert, die Menschenrechte und internationalen Umweltstandards einzuhalten, endlich für eine Deeskalation der aktuellen Situation zu sorgen und zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes beizutragen. 

Die Koalition für Konzernverantwortung setzt sich weiterhin dafür ein, dass in der Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz umgesetzt wird, damit Konzerne wie Solway für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung geradestehen müssen. 

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