Fallbeispiel

Mine verursacht schwere Geburtsgebrechen in Äthiopien – Gold landet in der Schweiz

Die Tessiner Goldraffinerie Argor-Heraeus hat über Jahre Gold aus einer äthiopischen Mine verarbeitet, die bei Anwohner:innen zu schweren Vergiftungen führte. Doch obwohl die Bevölkerung vor Ort jahrelang über Krankheiten und Behinderungen bei Neugeborenen klagte, will die Raffinerie nichts von den Problemen gewusst haben. Auch brancheneigene Zertifizierungsstellen haben wieder einmal versagt.

Strasse die zur Lega Dembi Mine führt.
©Tom Gardener/The New Humanitarian

Die Lega Dembi Mine ist die grösste Goldmine Äthiopiens und liegt ganz im Süden des Landes. Die Bevölkerung rund um die Mine leidet seit vielen Jahren unter Krankheiten, Fehlgeburten und Behinderungen bei Neugeborenen. Eine Studie im Auftrag der Regierung kam zum Schluss, dass Kinder, die im Gebiet um die Mine zur Welt kamen, deutlich häufiger Geburtsgebrechen aufwiesen als Kinder in anderen Regionen von Äthiopien.

Verschiedene Studien der Universität Addis Abeba und des äthiopischen Instituts für öffentliche Gesundheit zeigen auf, weshalb die Menschen krank werden: Die Schwermetallbelastung ist enorm, Wasser und Boden weisen zudem eine hohe Belastung der hochgiftigen Substanzen Arsen und Cyanid auf. Die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden bei der Arsenbelastung um das zehnfache überschritten. Die Studien kamen zudem klar zum Schluss, dass der Ursprung der Giftstoffe die Mine sein muss. Die Bevölkerung geht davon aus, dass ein Problem Teiche sind, die für Minenabfälle verwendet werden. In Zeiten von starkem Regen überlaufen diese regelmässig und vergiften so die ganze Umgebung.

Strasse zwischen dem Chemikalien-Teich (links) und dem natürlichen See (rechts). ©Sven Dumelie

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Schweizer Raffinerie profitierte über Jahre von der problematischen Mine

Nun deckt ein neuer Bericht der Organisation «Human Rights Watch» auf, dass das Gold aus der Lega Dembi Mine über ein Jahrzehnt lang in die Schweiz gelangte: So verarbeitete die umstrittene Schweizer Goldraffinerie Argor-Heraeus seit 2007 Gold aus der problematischen Mine und ergriff keinerlei Massnahmen, um die massive Umweltbelastung zu reduzieren. Dies, obwohl bereits seit 2009 Medienberichte zur Umweltverschmutzung und den Gesundheitsschäden erschienen und regelmässig öffentliche Proteste stattfanden. 2018 zog die Regierung aufgrund der vielen Probleme die Reissleine und liess die Mine schliessen.

Das Beispiel zeigt einmal mehr, weshalb es auch in der Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz braucht: Wenn Konzerne wie Argor-Heraeus über Jahre von problematischen Goldimporten profitieren und keine Massnahmen gegen die Gefährdung der lokalen Bevölkerung ergreifen, dann sollen sie auch für die Schäden geradestehen.

Die Tessiner Skandal-Raffinerie Argor-Heraeus

Die Argor-Heraeus Gruppe wurde 1951 gegründet und hat ihren Sitz in Mendrisio im Tessin. Die Raffinerie gehört zum Deutschen Konzern Heraeus, der 2021 einen Umsatz von 29.5 Milliarden Franken erwirtschaftete.

In den letzten Jahren wurden verschiedene Skandale rund um die Tessiner Raffinerie bekannt: So soll Argor-Heraeus knapp drei Tonnen illegal geschürftes Rohgold verarbeitet haben, welches in der Demokratischen Republik Kongo geplündert worden war. Im kongolesischen Bürgerkrieg spielte Gold eine zentrale Rolle, die Warlords finanzierten ihre Waffenkäufe mit dem Verkauf des Edelmetalls. Den Massakern der Kriegsherren fielen zwischen 1997 und 2003 gemäss Schätzungen über drei Millionen Menschen zum Opfer.

Ein weiterer Skandal betrifft den kolumbianischen Goldlieferanten C. I. J. Gutiérrez, der Geld aus dem Drogenhandel gewaschen und illegale, bewaffnete Gruppierungen finanziert haben soll. Argor-Heraeus steht in der Kritik, von dem Goldlieferanten zwischen 2009 und 2018 jährlich fünf bis neun Tonnen Gold bezogen haben.

Arbeiter in Lega Dembi Mine
©Sven Dumelie
Junger Mann füll Kanister mit vergiftetem Wasser.

Freiwillige Massnahmen haben wieder einmal versagt

Trotz den massiven Problemen in der äthiopischen Goldmine wurde die angeblich «verantwortungsvolle Beschaffung» von Argor-Heraeus in den letzten Jahren mehrmals von brancheneigenen Zertifizierungsstellen bestätigt. Der Responsible Jewellery Council (RJC), dem über 1’600 Unternehmen der Schmucklieferkette angehören, hat Argor-Heraeus 2011, 2014, 2017 und 2020 zertifiziert. Diese Zertifizierung steht schon länger in der Kritik, weil beispielsweise auch Luxus-Juweliere, die problematische Rubine aus Myanmar importierten, bis heute zertifiziert sind. Ebenso wurde Argor-Heraeus mindestens seit 2013 jährlich von der  London Bullion Market Association (LBMA) zertifiziert: Für den Handelsverband der großen Goldraffinerien, Goldhändler und Banken entsprach Argor-Heraeus offenbar den Richtlinien für den verantwortungsvollen Goldhandel «Responsible Gold Guidance».

Das Beispiel zeigt einmal mehr, weshalb freiwillige Massnahmen der Konzerne nicht ausreichen, sondern es ein verbindliches Konzernverantwortungsgesetz braucht. Denn immer wieder werden konzerneigene Nachhaltigkeitsstandards nicht eingehalten oder abgeschwächt, um problematische Geschäfte zu ermöglichen.

Argor-Heraeus selber ist anderer Meinung, wie der Konzern gegenüber Human Rights Watch sagte: «Unsere Prozesse der Sorgfaltspflicht gehören heute zu den strengsten der Welt. Dennoch haben wir diesen Fall zum Anlass genommen, unsere internen Prozesse noch einmal zu überprüfen.»

Mehr Informationen:

Recherche von Human Rights Watsch vom April 2023

Bericht von humanrights.ch vom Januar 2016

Artikel der Handelszeitung vom Oktober 2019

SRF Artikel vom Mai 2023

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