Fallbeispiel
300’000 Tonnen Arsenabfälle in Namibia, Millionengewinne für IXM in der Schweiz
Im Auftrag des Genfer Metallhandelskonzerns «IXM» schmolz das kanadische Unternehmen «Dundee Precious Metals» in Namibia 14 Jahre lang stark arsenhaltiges Kupfererz. Im September wurde die Schmelzerei abgestossen. Zurück bleiben rund 300’000 Tonnen hochgiftiges Arsentrioxid. Deponiert ist es über einer Grundwasserquelle, die für das gesamte Land bedeutsam ist.
Zum Autor:
Samuel Schlaefli ist freischaffender Umwelt- und Wissenschaftsjournalist und lebt in Basel. Er ist Mitgründer des Klimapodcasts «treibhaus» und arbeitet oft multimedial. In Zusammenarbeit mit dem investigativen Rechercheteam «Reflekt» hat er 2023 zu Strategien des Basler Chemiekonzerns Syngenta für den Vertrieb von hochgiftigen Pestiziden in Afrika recherchiert. Berichte dazu erschienen in der Sonntagszeitung, der WOZ, SRF und Le Courrier. Die Recherche zur Kupferschmelze in Tsumeb entstand in Kooperation mit der Koalition für Konzernverantwortung, welche diese finanziert hat. In Namibia wurde die Recherche durch die Journalistin Ester Mbathera unterstützt.
Namibia – damit verbinden Reiseenthusiast:innen vor allem weite, unbevölkerte Savanne, Tiere in freier Wildbahn und luxuriöse Lodges in Nationalparks. In Tsumeb, einer Kleinstadt im Norden Namibias, nur 100 Kilometer vom weltbekannten Etosha-Nationalpark entfernt, ist nichts davon zu finden. Hier prägen Felder mit pechschwarzer Schlacke das Landschaftsbild, hohe Abraumhalden mit giftigen Abfällen und leuchtend grüne Abwasserbecken. Sie sind das Erbe von Jahrzehnten des Bergbaus und einer riesigen Kupferschmelzerei, die in den 60er-Jahren gebaut wurde. Sie ist bis heute in Betrieb; geschmolzen wird vor allem Kupfererz aus Europa und Südamerika. Anfang August erhalte ich durch Vermittlung eines ehemaligen Mitarbeiters Zugang zum rund neun Quadratkilometer grossen, mit Stacheldraht eingezäunten Areal. Zu meinem grossen Erstaunen, denn Besuchsanfragen von Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und NGOs werden vom Betreiber der Schmelzerei, dem kanadischen Bergbaukonzern «Dundee Precious Metals» (DPM), normalerweise abgelehnt.
Wie in einem Endzeitfilm
In einem Kleinbus von DPM fahren wir im Schritttempo zuerst zur Schmelzerei und dann weiter Richtung Abfallhalden. Wir tauchen in eine Umgebung ein, die sich gut als Kulisse für einen Endzeitfilm eignen würde, vorbei an rostigen Stahlgerippen, Industriebauten, Pipelines, an rauchenden Kaminen und monströsen Baggern. Alles ist von Staub überzogen, das Licht ist fahl, die Umgebung erscheint wie durch einen Weichzeichner und Graufilter. Die wenigen Arbeiter, die in offenen Hubladern Abfälle über das Areal fahren oder mit Schläuchen unbefestigte Wege befeuchten, tragen Ganzkörperschutzanzüge, Handschuhe, Helme und Gasmasken. Wer hier arbeitet, muss sich vor der toxischen Umgebung schützen, vor giftigen Stäuben, Gasen und Dämpfen. Wir fahren durch Gebiete, die mit tonnenschweren, rostigen Stahlrohren, ausrangierten Maschinen und Kesseln vollgestellt sind. Sie liegen seit Jahren hier; für den Abtransport und die Entsorgung müssten sie zuerst dekontaminiert werden.
Der Bus fährt weiter entlang von Schlackefeldern auf einen Hügel im Süden des Areals. Hier liegt die «Hazardous Waste Disposal Facility», eine Deponie mit zwei riesigen Haufen eines weissen Pulvers – Arsentrioxid, eine stabile Form des Elements Arsen. Bereits 0.1 g können bei Verschlucken tödlich sein. Minenfahrzeuge karren das hochgiftige Material in Zuckersäcken aus der Schmelzerei auf die Deponie und werfen es dort ab. Später werden die Säcke von einem Bulldozer plattgedrückt. Hier liegt vermutlich die grösste Arsendeponie der Welt. Laut Hochrechnungen von ehemaligen leitenden Mitarbeitern der Schmelzerei lagern hier rund 300’000 Tonnen des nachweislich krebserregenden Stoffes. Genügend, um die gesamte Menschheit mehrmals tödlich zu vergiften.
Arbeiter in Schutzanzügen schichten den hochgiftigen Abfall in einer Deponie auf. Insgesamt lagern in Tsumeb gemäss Schätzungen rund 300’000 Tonnen Arsenabfall.
Die Arbeiter tragen Schutzausrüstung, um sich vor den giftigen Partikeln zu schützen, die in die Umgebung gelangen.
Für diese Recherche habe ich mit Hilfe der namibischen Journalistin Ester Mbathera im Juli und August 2024 mit zahlreichen Bewohnerinnen und Bewohnern in Tsumeb gesprochen, 25 Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden, Aktivist:innen, Forschenden sowie zwei früheren Direktoren der Schmelzerei geführt. Wir haben vor Ort zudem Proben gesammelt und diese von Forschenden der Universität Bern analysieren lassen. Die Recherche zeigt, dass der Genfer Metallhandelskonzern IXM über Jahre stark arsenhaltiges Kupfererz in Namibia verarbeiten liess und dessen Geschäftspartner DPM die schwache Regulierung Namibias ausgenutzt hat, um hochtoxisches und karzinogenes Arsentrioxid in Afrika zu entsorgen. Risiken für die Bevölkerung in Tsumeb und für die Mitarbeitenden der Schmelzerei wurden für Gewinne aus dem Handel mit Kupfer bewusst in Kauf genommen. Das Management von DPM in Kanada war früh darüber informiert, dass Mitarbeitende zum Teil sehr hohen Arsenkonzentrationen ausgesetzt waren. Trotz Warnungen und im Wissen um das Risiko für Krebserkrankungen ist es nicht eingeschritten.
Jetzt Versprechen für Rekordsammlung abgeben!
Hier mitmachenGezeichnet fürs Leben
Tsumeb wurde 1905 von der deutschen Kolonialmacht gegründet, welche Namibia von 1884 bis 1915 als Kolonie «Deutsch-Südwestafrika» beherrschte. Die «Schutztruppe» wollte nicht nur das Land der indigenen Bevölkerung, sondern auch die Bodenschätze Namibias. Die Umgebung von Tsumeb war reich an Metallen. Die Strassennamen erinnern bis heute daran, wonach hier bis Ende des letzten Jahrhunderts gegraben wurde: «Kupfer St.», «Silber St.», «Zink St.» und «Germanium St.». Es gibt ein Minenmuseum und jährlich findet ein Kupferfestival statt. Ein Hügel trennt die über 40’000 Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt vom Areal der ehemaligen Mine, wo heute nicht mehr nach Erz gegraben, aber weiterhin Kupfer geschmolzen wird. 500 Meter liegen zwischen der etwas erhöhten Arsendeponie und der nächstgelegenen Schule und rund 700 Meter trennen die Schmelzerei vom zentralen Hotel «Minen», wo auf der Mauer am Eingang Schlägel und Eisen prangen, das internationale Symbol für den Bergbau.
Dort, auf der Hotelterrasse, wo sich Tourist:innen, Consultants der Bergbauindustrie und Mitarbeitende von NGOs tummeln, treffe ich Walter Haihambo. Unter einem Safarihut aus grünem Stoff schauen zwei wache und zornige Augen hervor. Er spricht in Oshiwambo, der lokalen Sprache, die vor allem im Norden Namibias gesprochen wird. Ein Kollege übersetzt für uns. Haihambo hat 2011 ein halbes Jahr in der Schmelzerei für DPM gearbeitet, bei den Schlauchfiltern (bag houses), wo die Arsendämpfe aus dem Schmelzofen abgekühlt und zu einem Pulver kristallisiert werden. Er und seine Kollegen haben das Arsentrioxid in Säcke gefüllt, damit es auf die Deponie gebracht werden konnte.
Kurz nachdem Haihambo seine Arbeit in der Schmelzerei begann, hatte er erstmals Ausschläge am ganzen Körper, inklusive Gesicht. Er wurde vom betriebsinternen Arzt untersucht, gab eine Urinprobe ab; die Resultate bekam er nie zu sehen. Zunächst wurde er für einen Monat versetzt. Als er an seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkam, begannen die Ausschläge erneut. Nach einem halben Jahr sei er gefeuert worden, «es hiess, ich sei nicht fit genug, um weiter in der Schmelzerei zu arbeiten». Er krempelt seine Jeans hoch und zeigt uns seine Beine. Sie sind vom Fussgelenk bis zum Oberschenkel vernarbt. Der Ausschlag machte Blasen und brannte dermassen, dass er sich narbig kratzte. «Manchmal brennt es auch heute noch», sagt er. Haihambo hat sich mit anderen versehrten Ex-DPM-Arbeitern zusammengeschlossen und verlangt vom kanadischen Konzern eine finanzielle Kompensation für die gesundheitlichen Schäden und lebenslange medizinische Versorgung. DPM ist bis heute nicht auf die Forderung eingegangen.
Beim Schmelzen von Kupfererzen entstehen vor allem zwei giftige Abfallprodukte: Arsentrioxid und Schwefeldioxid. Letzteres ist ein Gas und wurde bis Ende 2016 in grossen Mengen in die Umgebung abgelassen. Die Luft roch oft nach faulen Eiern und Knoblauch und sie reizte die Schleimhäute, wie Bewohnerinnen und Bewohner in Tsumeb erzählen. Manchmal, in Nächten, in denen die Wolken tief hingen und das Gas wie unter einem Deckel feststeckte, waren am nächsten Morgen die Pflanzen in den Gärten und der Mais auf den Feldern verätzt. Ehemalige Mitarbeitende bestätigen, dass Bauern nach solchen Verlusten mehrmals entschädigt wurden, manche sagen, sie wurden «gekauft». Das zweite Abfallprodukt, das Arsentrioxid, stinkt weniger, ist aber weitaus gefährlicher. Laut WHO ist es eindeutig krebserregend. Bei Einnahme stört es biochemische Prozesse im Körper, wie die Reparatur der DNA, den Energiestoffwechsel in den Zellen und Transportvorgänge zwischen Rezeptoren. Studien haben einen Zusammenhang zwischen langfristiger Arsenexposition und erhöhter Kindersterblichkeit, eingeschränkter kognitiver Entwicklung, Nierenversagen und verschiedenen Krebsarten bei Jugendlichen nachgewiesen. Die Symptome einer langfristigen Arsenexposition sind vielfältig und nur schwer auf die ursprüngliche Quelle zurückzuführen. Erste Anzeichen sind oft Hautprobleme, insbesondere Hautverfärbungen und -verhärtungen oder Lungenprobleme, meist in Form einer Bronchitis.
Analysen der Universität Bern mit erschreckenden Resultaten
Für diese Recherche wurden vor Ort 30 Wasser-, Boden-, Pflanzen- und Haarproben gesammelt. Diese wurden von der Gruppe für Bodenkunde an der Universität Bern analysiert. Die Analysen bestätigen Erkenntnisse aus früheren Studien: Der Boden nahe der Schmelzerei ist massiv mit Arsen und weiteren Schwermetallen kontaminiert. «Diese Werte sind mit bis zu zwei Prozent Arsen im Boden extrem hoch und vergleichbar mit anderen Böden, die durch Schmelzen verseucht sind», sagt Adrien Mestrot, Professor für Bodenwissenschaften an der Universität Bern. Die analysierten Blätter und Gräser weisen ebenfalls sehr hohe Arsenwerte auf. «Auch wenn wir die Früchte der Pflanzen nicht gemessen haben, ist es bei diesen Werten durchaus möglich, dass die essbaren Pflanzenteile ebenfalls hohe Arsenkonzentrationen aufweisen», sagt Mestrot.
Arsen reichert sich im Haar an. Die Haaranalyse eignet sich deshalb, um eine längerfristige Exposition zu messen. Bei unseren Proben zeigen Mitarbeitende der Schmelzerei und Bewohner:innen, die westlich der Schmelzerei wohnen, die höchsten Werte. Letzteres ist ein Gebiet, das aufgrund der Windrichtung besonders von Emissionen und Staub aus der Schmelzerei betroffen ist. Die höchsten gemessenen Werte betreffen Menschen, die an Beschwerden leiden, wie sie in Zusammenhang mit einer Arsenexposition stehen könnten. Gemäss früheren Studien weisen Arsenkonzentrationen im Haar von über 1 mg/kg auf eine übermässige Exposition hin. Sämtliche Proben aus Tsumeb überschreiten diesen Wert, in acht von 12 Proben um mindestens das Dreifache. Bei einem Mitarbeiter der Schmelzerei lag der Wert sogar 20-mal über dieser Grenze. Im Vergleich mit Referenzproben aus der namibischen Hauptstadt Windhoek und aus der Schweiz war der Arsengehalt in den Proben aus Tsumeb bis zu 100-mal höher. «Die Werte sind erschreckend und zeigen, dass die Bevölkerung Tsumebs massiv Arsen ausgesetzt ist», sagt Mestrot. «Es sollten unbedingt weitere Tests gemacht werden, um das wahre Ausmass der gesundheitlichen Auswirkungen der Schmelzerei zu verstehen.»
Arsentrioxid reizt aufgrund seiner Toxizität und des tiefen pH-Werts die Haut, was zu einem heftigen Ausschlag führen kann. Dieser «arsenic rash», Arsenausschlag, wie ihn Walter Haihambo beschreibt, tritt in Tsumeb besonders häufig auf, das zeigen Berichte von Arbeitsmedizinern aus Südafrika. Spricht man mit ehemaligen und aktuellen DPM-Mitarbeitenden, so kennen praktisch alle jemanden, der oder die schon mal voller Pusteln war. 2011, ein Jahr nach Übernahme der Schmelzerei durch DPM, begannen sich die Klagen von Arbeitern zu häufen. Zeitungsberichte aus dieser Zeit zeigen DPM-Arbeiter mit Ausschlägen am ganzen Körper, mit aufgeplatzten, blutigen Blasen und blinden Augen. Das damalige Management behauptete, dass die Krankheiten und Verletzungen nichts mit der Schmelzerei zu tun hätten, dass es sich um Symptome von HIV/Aids handle. Die Situation spitzte sich dermassen zu, dass das Umweltministerium 2012 intervenierte. DPM musste die Kapazität der Schmelzerei auf die Hälfte reduzieren, so dass temporär weniger Arsentrioxid anfiel.
Probleme begannen mit Erz aus Bulgarien
Im Stadtteil Nomtsoub sind viele Strassen unbefestigt und mit Schlaglöchern übersät. Die Bewohner:innen sitzen abends draussen vor einfachen Häusern aus Ziegelsteinen mit Wellblechdächern oder versammeln sich vor Grills, auf denen Fleischspiesse gebraten werden. Jugendliche trinken in Shebeens, improvisierten Bierkneipen, während Amapiano aus Lautsprechern dröhnt, eine südafrikanische Spielart von House. Hier in Nomtsoub treffen wir Nikasius Hangula. Auch er gehört zu der Gruppe Männer, die von DPM eine Kompensation verlangen. Unter einer gleissenden Leuchtbirne im bescheidenen Wohnzimmer erzählt er von der Geschichte der Schmelzerei.
Hangula heuerte 1973 als 19-Jähriger bei der Mine an und war für die Reparatur der Bahnschienen zuständig, über welche Erze und Metalle an die Küste transportiert wurden. Nachdem die Mine geschlossen wurde, wechselte er zur Schmelzerei, wo er 2014 pensioniert wurde. Für die frühen Jahre klingen seine Erzählungen nostalgisch, je näher diese der Gegenwart kommen, desto dramatischer werden sie. «Erst mit DPM und dem Kupfererz aus Bulgarien haben die Probleme in der Schmelzerei begonnen», erzählt er. Kollegen, mit denen er zuvor lange zusammengearbeitet hatte, hätten sich plötzlich über kaum aushaltbaren Juckreiz beklagt, über Hautausschläge, die zu Blasen wurden und offene Wunden hinterliessen. «Das kannten wir vorher nicht.»
Jetzt bei Standaktion mitsammeln!
Hier anmeldenAb 2008 änderte sich die Beschaffenheit des Kupfererzes, das in Tsumeb verarbeitet wurde. Dieses stammte nicht mehr aus Tsumeb, aus Namibia oder einem anderen südafrikanischen Staat, sondern aus Europa. DPM hatte 2008 in Bulgarien die Kupfer- und Goldmine Chelopech eröffnet. Ursprünglich sollte das dort geförderte Kupfer mit Cyanid vom Erz getrennt werden oder das Erz vor Ort geschmolzen werden. Doch dafür erteilte die bulgarische Regierung keine Bewilligung. Grund waren die Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Das Chelopech-Erz enthält rund 5,5 Prozent Arsen, üblich sind unter ein Prozent. Das Schmelzen solcher Erze ist in vielen Staaten verboten. Weltweit gibt es nur vier Schmelzereien, die solche «komplexen Erze», manche sagen auch «dreckigen Erze», zum Schmelzen annehmen, eine davon ist Tsumeb.
DPM schickte 2008 erstmals Kupfererz aus Bulgarien für Tests nach Namibia. 2010 kaufte der kanadische Konzern die Schmelzerei. Mit zusätzlichem Erz aus Peru, das ebenfalls einen hohen Arsengehalt hat, sollte die Schmelzerei ausgelastet werden. Von nun an karrte DPM das pulverisierte, anthrazitfarbene Erz aus seiner Mine in Chelopech rund 13’000 Kilometer mit Lastwagen, Schiff und Eisenbahn nach Tsumeb, um es dort bei über 1200 Grad Celsius zu schmelzen und von Arsen und weiteren Giftstoffen zu trennen. Als das Umweltministerium 2012 einschritt und DPM dazu zwang, die Produktionskapazität der Schmelzerei zu reduzieren, gab es eine breit angelegte Untersuchung, die vom Umweltprogramm der UN (UNEP) mitfinanziert wurde.
Die entsprechende Studie wurde nie veröffentlicht. Ich erhalte sie von einem ehemaligen DPM-Mitarbeiter, der sie gescannt hatte. Darin kamen die Autoren bereits 2012 zum Schluss, dass die Anlage für die Verarbeitung des extrem arsenhaltigen Kupfererzes aus Chelopech nicht adäquat ausgestattet war. Mit der Folge, dass gasförmiges Arsen aus der Produktion in die Umgebung verdampfte und die dort Beschäftigten stark gefährdete. Die Autoren machten zudem darauf aufmerksam, dass «die Regierung ungenügend ausgebildete und erfahrene Inspektoren hat, um die Industrie zu überwachen.» Und sie empfahlen schon damals eine breit angelegte klinische Untersuchung der «most at risk communities», inklusive einer Langzeitüberwachung von Krebserkrankungen, mit Einbezug von Todesurkunden. Dies forderte später auch ein Arzt, der anonym bleiben will. Er beriet DPM lange in Gesundheitsfragen und kritisiert das Unternehmen für sein unprofessionelles Monitoring der Arsenexposition bei Mitarbeitenden.
Nikasius Hangulas Arm zittert während des Gesprächs unkontrolliert, ein Problem mit den Nerven, eventuell Parkinson; er weiss es nicht genau. Er wirkt schwach und zerbrechlich und erzählt von regelmässigen Bauchschmerzen und einer geschädigten Niere. Die meisten seiner Kollegen, mit denen er in der Schmelzerei zusammengearbeitet hat, seien heute krank. «Als wir damals unsere Vorgesetzten bei DPM mit den Hautausschlägen konfrontierten, sagten sie einfach, wir würden unsere Schutzkleidung nicht richtig tragen.» Seither ist Hangula eine Art inoffizieller Chronist des Widerstands gegen DPM. Mitarbeitende haben die Arbeitsbedingungen in der Schmelzerei immer wieder angeprangert. Auf die Gewerkschaft konnten sie nicht zählen, weil diese die Position der Regierung und der DPM-Geschäftsleitung vertrat. Unterstützt wurden sie einzig von lokalen und teils auch internationalen NGOs. Viele Arbeiter seien aufgrund ihres Widerstands gefeuert worden. Manche seien auch von allein gegangen, wurden plötzlich still und zogen weg. «DPM hat Mitarbeitende unter Druck gesetzt und sie mundtot gemacht», sagt Hangula.
Headquarter in Kanada wusste Bescheid
Ein betriebsinterner Bericht aus dem Jahr 2013 zeigt, dass besonders Mitarbeitende im «arsenic plant» hohen Arsenkonzentrationen ausgesetzt waren. In diesem eigenständigen Fabrikationsgebäude, das erst 2017 geschlossen wurde, verarbeitete DPM das im Schmelzprozess anfallende Arsentrioxid, damit es an Hersteller von Pestiziden und Holzschutzprodukten weiterverkauft werden konnte, vor allem nach Malaysia. Im Bericht sind Arsenkonzentrationen in der Umgebungsluft ausgewiesen, die bis zu 15-mal über dem gesetzlichen Grenzwert Namibias lagen. Im Urin wurden Konzentrationen gemessen, die bis zu achtmal über dem nationalen Grenzwert lagen. Hätte sich DPM an internationalen Grenzwerten orientiert, wären die Werte noch alarmierender ausgefallen. Die Werte in den Folgejahren seien vergleichbar gewesen und teils sogar noch deutlich höher ausgefallen, sagt ein ehemaliger DPM-Mitarbeiter mit Zugang zu den Gesundheitsdaten, der nicht mit Namen genannt werden will.
Er erzählt: «Das Management in Kanada war früh über die hohe Belastung der Arbeiter informiert. Trotzdem hiess es, wir sollen die Anlage weiter am Laufen halten.» David Rae, der damalige COO und aktuelle CEO von DPM in Toronto, sei informiert gewesen, ebenso Nikolay Hristov, der aktuelle Vizepräsident für Nachhaltigkeit. Die zahlreichen Warnungen aus Tsumeb seien in Kanada willentlich ignoriert worden. «DPM hat von der schwachen Regulierung und der fehlenden Kontrolle durch namibische Behörden profitiert», sagt der Ex-Mitarbeiter. «Die Gesundheit der Arbeiter war kein Argument.» Wir haben den DPM-Hauptsitz in Kanada mit diesen Anschuldigungen konfrontiert, jedoch trotz mehrmaligem Nachfassen nie eine Antwort erhalten. Wie es den 30 Mitarbeitenden heute geht, die damals in der Arsenproduktion gearbeitet haben, und ob sie noch leben, weiss niemand. Es gibt zwar eine Liste mit ihren Namen; aber niemand hat sich bisher die Mühe gemacht, sie ausfindig zu machen. «Das Perfide ist, dass Krebs aufgrund von Arsen oft erst viele Jahre nach der Exposition auftritt», sagt der ehemalige Mitarbeiter. «Und DPM weiss das.»
IXM – ein Schwergewicht im globalen Metallhandel mit Sitz in Genf
IXM ist ein weltweit führender Metallhandelskonzern, der 2017 aus dem Verkauf der Metallsparte der Louis Dreyfus Company (LDC) hervorgegangen ist. Er hat weltweit über 450 Mitarbeitende, der Hauptsitz liegt in Genf. Heute gilt IXM als drittgrösster Konzern in der Branche, gleich hinter Glencore und Trafigura. Trotzdem haben die wenigsten den Namen jemals gehört. 2023 bezog IXM Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Aluminium, Kobalt und Niobium aus über 40 Ländern auf sechs Kontinenten. Im Jahr 2022 erzielte der Konzern einen Umsatz von umgerechnet rund 21,5 Milliarden Schweizer Franken. Der CEO von IXM, Kenny Ives, war zuvor über 25 Jahre bei Glencore tätig, wo er zuletzt die Nickel-Sparte leitete.
Seit der kanadische Bergbaukonzern «Dundee Precious Metals» (DPM) die Schmelzerei in Tsumeb 2010 übernahm, hatte LDC (und später IXM) exklusive Abnahmerechte für das dort verarbeitete Kupfer. 2010 eröffnete LDC für das aus Bulgarien importierte Kupfererz ein eigenes Lagerhaus im Hafen von Walvis Bay an der namibischen Küste. Von dort aus gelangte das hoch arsenhaltige Erz auf der Schiene nach Tsumeb im Landesinneren. IXM hatte exklusive Rechte, die bis 2026 galten, um Kupferkonzentrat von der bulgarischen Chelopech-Mine zu kaufen, dieses in der Tsumeb-Schmelzerei in Namibia weiter verarbeiten zu lassen und sämtliches raffiniertes Blisterkupfer von der Schmelzerei zu kaufen. Diese exklusive Vereinbarung hatte für IXM den Vorteil, dass sie das problematische Kupfererz mit hohem Arsengehalt in Tsumeb durch DPM verarbeiten lassen konnten, gleichzeitig hatte DPM dadurch eine voraussehbare Auslastung der Schmelzerei.
Weil das Erz aus der bulgarischen Gold- und Kupfermine Chelopech und aus Kupferminen in Südamerika dermassen giftig war – oder «komplex», wie es im Geschäftsbericht von DPM heisst –, konnte DPM für die Verarbeitung einen hohen Preis verlangen. Am 30. August 2024 verkaufte DPM die Schmelzerei für 20 Millionen US-Dollar an die chinesische «Sinomine Resource Group Co. Ltd.». Damit endeten auch sämtliche Abnahmeverträge mit IXM.
Zentraler Partner von DPM war von Beginn an der multinationale Konzern «Louis Dreyfus», mit operativem Hauptsitz in Genf. 2017 verkaufte er seine Metallsparte für 466 Millionen US-Dollar an den chinesischen «Natural Resources Investment Fund». Die Firma wurde umbenannt und heisst seit 2018 «IXM». Der Hauptsitz des Unternehmens, das Teil der chinesischen «CMOC»-Gruppe ist, liegt in Genf, mit einer Zweigstelle in Zug und Büros auf mehreren Kontinenten. DPM ist eine Art Dienstleister für IXM. Der in der Schweiz ansässige Konzern kauft Kupfererz aus Chelopech und weiteren Minen, organisiert und finanziert den Transport nach Tsumeb und hat anschliessend die exklusiven Rechte für die Abnahme des verarbeiteten Blisterkupfers mit einer Reinheit von rund 98 Prozent. Kupfer gehört zum lukrativen Kerngeschäft von IXM, denn das Metall ist gefragt, es gehört zu den wichtigsten Rohstoffen für Schlüsseltechnologien wie die Photovoltaik oder Windenergie. Die Preise für Kupfer zeigten in den vergangenen Jahren meist nur in eine Richtung: nach oben. IXM macht laut eigenen Angaben mit dem Verkauf von Metallen über 20 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr. Auf der Webseite des Konzerns sind eine Reihe von Nachhaltigkeitsauszeichnungen aufgeführt, darunter «The Copper Mark», das für eine verantwortungsvolle Produktion von Kupfer, Nickel, Zink und Molybdän bürgen und «zu einem positiven Vermächtnis und einer nachhaltigen Gesellschaft» beitragen soll.
Die Beziehungen zwischen «Louis Dreyfus» (später IXM) und DPM waren seit der Übernahme der Schmelzerei eng. Mitarbeitende aus der Schweiz besuchten die Schmelzerei regelmässig, wie von mehreren ehemaligen DPM-Mitarbeitenden bestätigt wird. Zudem beauftragte IXM Berater von «Bureau Veritas», die in Tsumeb stationiert waren und sicherstellten, dass IXM zu den vereinbarten Mengen Kupfer kam. Laut einer ehemaligen DPM-Mitarbeiterin mit Einblick in die Koordination zwischen DPM und IXM wurde der Hauptsitz in Genf praktisch täglich über die Vorgänge in der Schmelzerei informiert. Trotzdem schritt IXM nicht ein, um Mitarbeitende und die Bevölkerung Tsumebs vor den giftigen Emissionen der Schmelzerei zu schützen. Wir haben auch IXM mit den Aussagen von ehemaligen DPM-Mitarbeitenden konfrontiert und mehrmals nachgefragt, weshalb das Management nicht interveniert hat, als es die Berichte mit den hohen Arsenwerten sah. Erfolglos; IXM verweist an DPM.
Jetzt eine Fahne aufhängen
Hier kostenlos bestellenDen Chemikalien ausgesetzt
Die meisten Geschäfte Tsumebs reihen sich entlang der zentralen «President Street». Bullige Pick-ups stehen vor Fast- Food-Restaurants. Frauen verkaufen auf Tüchern Nüsse und Gemüse aus dem Umland. Junge Männer stehen in Gruppen, schwatzen und trinken Bier. In einem der Geschäfte treffen wir eine junge Verkäuferin, die ihren richtigen Namen nicht preisgeben will. Ihre Arme, ihr Hals und das Gesicht sind mit roten Pusteln übersät, so als hätte sie die Röteln. Sie wohne seit 1991 in Tsumeb, erzählt sie. 2009 hätten die Hautprobleme begonnen. Seither leide sie in der Nacht und am Morgen oft an Magenkrämpfen und Übelkeit. Tagsüber habe sie Kopfschmerzen, manchmal dermassen heftig, dass sie sich übergeben müsse. Sie kramt zwei Schachteln Schmerzmittel hervor, «Myprodol» und «Tensopyn». «Ohne die ginge es nicht», sagt sie. Ihre Nachbarin sei ebenfalls krank. Sobald sie einige Tage an der Küste sei, ginge es ihr wieder besser. «Aber ich bin in Tsumeb zuhause, ich will hier nicht weg.» Ihr kleines Geschäft liegt am nördlichen Ende der Stadt und nur wenige hundert Meter von der Arsendeponie entfernt. Ein junger Mann, sportlich gekleidet und mit frisch rasiertem Haar, hat uns zugehört und sagt: «Schau dir meine Backen an.» Sie sind rau und ein wenig gerötet. Er macht sich grosse Sorgen um sein Aussehen. «Ich glaube, das sind die Chemikalien», sagt er und zeigt zur Schmelzerei.
Im Zentrum von Tsumeb finden sich erstaunlich viele Apotheken. Wie wir erfahren, sind sie gut besucht und eignen sich, um mehr über die Gesundheit in der Gemeinde zu erfahren. Der Apotheker in der Tsumeb Pharmacy, Buys Steenkamp, will keine auffälligen Symptome bei seinen Kundinnen und Kunden entdeckt haben. «Nichts Besonderes, trockene Haut, wie es in den Wintermonaten hier üblich ist», sagt er. Etwas weiter, in einer zweiten Apotheke, klingt es bereits anders. Annemarie Erasmus, die Apothekerin der «Etosha Pharmacy», sagt, es sei auffällig, wie viele Medikamente für Atemwegserkrankungen sie absetze, vor allem Nasensprays und Cortisol. Der Lieferant habe ihr bestätigt, dass nirgends sonst im Land dermassen viele solcher Medikamente verkauft würden. Eine dritte Apothekerin möchte anonym bleiben, weil sie sich keine Probleme einhandeln wolle. «Wir leiden hier alle unter der Schmelzerei», sagt sie. Selbst wache sie oft auf in der Nacht, aufgrund des Rauchs und der Gase aus der Schmelzerei. Dann ringe sie nach Luft, das Atmen falle ihr schwer. Als sie vor sechs Jahren nach Tsumeb kam, sei sie erschrocken, wie viele Menschen mit Allergien und Hautproblemen in der Apotheke nach Hilfe suchten. Sie erzählt von häufigen Hautpilzen bei Kindern. Beklagen oder wehren würden sich aber die wenigsten. «Die meisten sind froh, wenn wir ihnen eine Salbe geben. Sie wollen keine Probleme machen, sie wollen vor allem Jobs.»
DPM ist bei weitem der wichtigste Arbeitgeber der Stadt. 650 Menschen arbeiteten zuletzt in der Schmelzerei, hinzu kommen hunderte «Contractors», Vertragsarbeiter:innen zum Reinigen, Warten und für den Transport. DPM bezahlt die besten Löhne weit und breit, die Jobs sind entsprechend begehrt. Eine Frau, die ab 2016 als Rezeptionistin in der Schmelzerei gearbeitet hatte, erzählt, dass sie 12’000 namibische Dollars verdient habe, rund 600 Schweizer Franken. Das sei doppelt so viel wie in anderen namibischen Unternehmen. DPM pflegt sein Image sehr bewusst und wird nicht müde zu betonen, wie wichtig die Schmelzerei für die lokale Wirtschaft sei. Auf riesigen Werbetafeln am Stadteingang rühmt sich das Unternehmen für «Respekt» und «Inklusion» sowie als «stewards of the environment»; als Hüter der Umwelt. DPM hat das Schattendach vor dem Postgebäude gesponsert, DPM organisiert das jährliche Golfturnier, DPM ist der Hauptsponsor des jährlichen Kupferfestivals in Tsumeb, DPM spendet Laptops für Schulen, renoviert Fussballplätze, baut zusammen mit der Gemeinde ein Open-Air-Gym für «gesunde Körper, gesunden Geist, gesunde Leben», wie auf der entsprechenden Infotafel steht.
Die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und der Regierung sind eng, Politiker:innen sind regelmässig zu Gast auf dem Schmelzereiareal. Zebra Kasete, bis Ende August CEO der Schmelzerei, ist in Namibia aufgewachsen, hat Metallurgie studiert, für Rio Tinto gearbeitet und in Zimbabwe eine Diamantenmine gemanagt. Er ist gleichzeitig Vizepräsident der «Chamber of Mines» in Namibia und pflegt beste Beziehungen zur Regierungspartei SWAPO. Der im Februar verstorbene Präsident Hage Geingob besuchte die Schmelzerei 2016 persönlich, um die neue Schwefeldioxidanlage zu eröffnen. DPM ist weitgehend steuerbefreit, denn die Schmelzerei geniesst den Status einer «Export Processing Zone». Sämtliches in Tsumeb produzierte Kupfer, sogenanntes Blisterkupfer, mit einem Kupfergehalt von 98,5 Prozent, wird sogleich wieder exportiert. Praktisch nichts bleibt in Namibia, ausser dem giftigen Abfall.
Für viele kam es überraschend, als DPM im März 2024 ankündigte, das Unternehmen wolle die Schmelzerei für 49 Millionen US-Dollar an den chinesischen Konzern «Sinomine Resource Group» verkaufen. Vor allem weil das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2010 mehr als 515 Millionen US-Dollar in die Schmelzerei investiert hatte. Ende August wurde der Deal besiegelt, doch Sinomine bezahlte nur 20 Millionen US-Dollar. Viele fragen sich, weshalb es der kanadische Konzern dermassen eilig hatte, die Schmelzerei loszuwerden und aus Namibia zu verschwinden?
Kannst du das Crowdfunding für die neue Initiative unterstützen?
Jetzt spenden!Vertrauen verloren
Im August 2023 regte sich erstmals grösserer öffentlicher Widerstand gegen DPM. Laut den Organisator:innen der Demonstration gingen über 700 Menschen auf die Strasse, vor allem aus Nomtsoub. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte die hohe Arbeitslosigkeit und ein Zwischenfall mit einem Lastwagen aus der Schmelzerei, der in einer öffentlichen Garage im Dorf gereinigt wurde, was verboten ist. Es ging die Angst um, dass der Lastwagen arsenhaltiges Material geladen hatte und Arsen in das kommunale Abwasser gelangt sei. Sorgen um die Wasserqualität sind eine Konstante in Tsumeb. In einer Petition, welche die Organisator:innen während der Demonstration DPM übergaben, wird eine Aufklärung des Vorfalls gefordert. Zudem sollen alle Bewohner:innen Tsumebs kostenlos medizinisch untersucht werden, «um unseren Gesundheitsstatus zu prüfen, da wir täglich Arsen und anderen giftigen Stoffen ausgesetzt sind», wie es in der Petition heisst. Und weiter: «Die Gemeinde Tsumeb hat den Glauben und das Vertrauen in das korrupte Management von Dundee Precious Metals verloren, das kein Erbarmen mit den Bewohner:innen hat.» Am 11. August 2023 marschierten die Demonstrierenden Richtung Haupteingang der Schmelzerei und forderten den sofortigen Rücktritt von CEO Zebra Kasete und weiteren Mitarbeitenden des Managements.
Lisken Claasen (rechts vorne) und ihre Mitstreiter:innen von der lokalen Organisation «Tsumeb Community Concern Representatives» wehren sich gegen die Verschmutzung und fordern eine kostenlose medizinische Untersuchung der Bevölkerung.
Organisiert wurde die Demonstration von der Organisation «Tsumeb Community Concern Representatives» (TCCR). Ich treffe die Gründerin, Lisken Claasen, und mehrere Mitstreiter:innen eines Abends im spärlich beleuchteten Zimmer eines Kindergartens am Rand von Nomtsoub. Auf dem Tisch liegt ein dicker Ordner mit gesammeltem Material zu DPM und der Schmelzerei. Claasen hustet und räuspert sich andauernd. «Wir machen uns hier ernsthaft Sorgen um unsere Gesundheit, unsere Männer werden impotent, viele leiden an Diabetes oder hohem Blutdruck, wir sehen Fehlgeburten und Kinder mit Behinderungen», sagt Claasen. «DPM sagt zwar immer ‹safety first›, aber wir sehen nicht, dass sie sich wirklich um die Gesundheit der Arbeiter oder der Bewohner:innen von Tsumeb kümmern.»
Mujiwa Diamantina, ebenfalls Mitgründerin von TCCR, sagt: «Wir waren dort, wir haben uns die Arsendeponie selbst angeschaut. Wenn es stark windet, sieht man, wie das Pulver in die Umgebung verweht wird.» Die Böden in Tsumeb seien offensichtlich mit Arsentrioxid kontaminiert. Sie macht sich Sorgen, weil viele in Tsumeb Gemüse und Früchte anbauen und das Arsen und weitere Schwermetalle von den Schlackenhalden in die Nahrungskette gelangten. «Wir fühlen uns machtlos», sagt Diamantina. «Wir trauen den Informationen von DPM nicht, aber wir haben kein Geld, um Expert:innen aus dem Ausland mit unabhängigen Tests zu beauftragen.» Die Regierung sei sich der Situation längst bewusst, würde jedoch nichts unternehmen. Dasselbe gelte für die Gemeindeverwaltung.
Keine Bewilligung für Forschung zu Gesundheitsrisiken
Tatsächlich wissen DPM und die namibische Regierung schon lange über die Risiken Bescheid, denen die Menschen in Tsumeb ausgesetzt sind. Forschende der Universität Namibia in Windhoek haben 2011 in Zusammenarbeit mit der deutschen «Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe» (BGR) 148 Personen aus Tsumeb auf Arsen und weitere Schwermetalle in Blut und Urin getestet. Jede sechste Person hatte Arsenwerte über dem WHO-Grenzwert, in einem Fall wurde dieser um das Neunfache übertroffen. Auch die Werte für Blei lagen bei jeder fünften Person über dem WHO-Grenzwert. Menschen im Industrieareal direkt südlich angrenzend an die Schmelzerei und im Stadtteil Nomtsoub waren besonders betroffen. Die Wissenschaftler führten die hohen Werte auf das Einatmen von kontaminiertem Staub, den Kontakt mit kontaminiertem Boden und den Konsum von Produkten aus den eigenen Gärten zurück. Die Ergebnisse wurden jedoch nie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. «Wir hatten keine Erlaubnis dafür», sagt ein involvierter Forscher, der anonym bleiben will. Die Forschung sei von der Regierung mitfinanziert worden; sie hatte das letzte Wort. «Es hiess, die Resultate könnten ausländische Investoren im Minensektor abschrecken.»
2014 hat dieselbe Forschungsgruppe 43 Proben von Tomaten, Karotten, Mais und Kürbis aus Tsumeb auf Schwermetalle und Arsen analysiert. Sämtliche Proben zeigten eine signifikante Akkumulation von Blei, Cadmium und Arsen. «Diese Elemente können die menschliche Gesundheit schwerwiegend beeinträchtigen, wenn kontaminiertes Obst und Gemüse regelmässig oder in grossen Mengen verzehrt werden», heisst es in der Studie. Deshalb sollte das Gemüse nicht gegessen werden. Die Forschenden schlugen vor, Zonen um die Schmelzerei zu deklarieren, in welchen die landwirtschaftliche Produktion reduziert oder komplett verboten wird. Besonders Blatt- und Wurzelgemüse, die viel Schwermetalle akkumulieren, sollten in der gesamten Stadt und auf landwirtschaftlichen Flächen bis 10 Kilometer westlich der Schmelzerei verboten werden. Auch Massnahmen für die Sanierung von verschmutzten Böden empfahlen die Forschenden, unter anderem das Abtragen der kontaminierten oberen Bodenschichten. Nichts davon haben DPM oder die Regierung umgesetzt.
«Wir hätten damals gerne auch Haar- und Fingernagelproben analysiert, um besser zu verstehen, wie viele Menschen in Tsumeb hohe Arsen- und Bleiwerte haben», erzählt der Forscher. Damit lässt sich, anders als bei Urinproben, das kumulierte Arsen auch lange nach der Exposition noch nachweisen. Doch dies sei vom Gesundheitsministerium nicht genehmigt worden – auch nicht Studien zu Auswirkungen der Arsen- und Bleiexposition auf Kinder. «Tsumeb ist heute eine Off-limit-Zone für namibische Forschende», sagt er. «Das ist schlicht zu heikel für die Regierung.» Wir haben das Umwelt- und Gesundheitsministerium mit diesen Aussagen sowie mit unseren eigenen Analyseresultaten konfrontiert. Trotz mehrmaligem Nachhaken haben wir nie eine Antwort erhalten.
«Tödlicher Staub in Tsumeb …Krebserkrankungen befallen Minenarbeiter» – Zeitung The Villager.
Fehlende Transparenz
DPM reagiert mit eigenen Messungen und Daten auf Forschungsresultate und auf Anschuldigungen aus der Bevölkerung. Nach eigenen Angaben kontrolliert das Unternehmen die Luftqualität in Tsumeb ununterbrochen mit sechs Messstationen. Die Wasserqualität werde mit 31 Grundwasserbohrungen in und um das Schmelzereiareal regelmässig geprüft. Die Umweltdaten sind jedoch weder öffentlich einsehbar, noch werden sie von einer unabhängigen Stelle evaluiert. DPM argumentiert, dass sämtliche Verschmutzung sowie die hohen Arsen- und Schwermetallwerte in den Böden noch aus der Zeit vor DPMs Übernahme stammen, also vor 2010. Es ist unbestritten, dass die Böden von Jahrzehnten des Bergbaus und der Kupferschmelze bereits vor DPMs Ankunft mit Schwermetallen belastet waren.
Doch Forschende aus Australien konnten 2020 durch die Messung von Bleiisotopen in Staubproben nachweisen, dass Bewohner:innen den Stäuben von den Schlackefeldern und Abraumhalden nach wie vor ausgesetzt sind und der aktuelle Betrieb der Schmelzerei zur Exposition beiträgt. Ihre Modellierungen zeigen zudem, dass die Staubaufnahme durch Mund und Nahrung der wichtigste Weg für die Arsenaufnahme ist, gefolgt von der Atmung. Besonders der flüchtige Staub, der von den Abfallhalden und der Arsendeponie in die Umgebung von Tsumeb gelange, sei besorgniserregend, da dieser sehr fein ist und einen hohen Gehalt an toxischen Elementen aufweist. Die Forschenden folgerten, dass die Menschen in Tsumeb durch die Staubbelastung einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt sind.
«Die Schmelzerei in Tsumeb ist im Vergleich mit ähnlichen Betrieben schmutzig und staubig», sagt Mark Patrick Taylor, der sich seit 40 Jahren mit Umweltauswirkungen von Minen auf der ganzen Welt beschäftigt. Er ist der Hauptautor der australischen Studie. Als er 2018 vor Ort Proben nahm, habe er keine wirkungsvollen Massnahmen gesehen, um die Staubentwicklung einzudämmen – die Hauptquelle der Exposition der Bevölkerung. «Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Schmelzerei eine Quelle der Umweltverschmutzung und der gesundheitsschädlichen Exposition der Menschen in Tsumeb ist.» Das gelte vor allem für Kleinkinder: «Studien in Australien haben gezeigt, dass die unbeabsichtigte Aufnahme von Blei bei Kindern oft noch viel höher ist als bei den Müttern, weil sie alles in den Mund nehmen und durch die Kleider und Brust der Mutter giftigen Stoffen besonders ausgesetzt sind. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dies bei Arsen anders wäre.»
Taylor ist überzeugt, dass der überstürzte Abgang DPMs aus Tsumeb in Europa, den USA oder in Kanada aufgrund von höheren Umweltauflagen nur schwer möglich wäre. DPM müsste das Grundstück der Schmelzerei vor der Übergabe sanieren – oder Millionen für die spätere Sanierung in einen staatlichen Fonds einzahlen. Nichts davon ist im Fall von Tsumeb vorgesehen, auch wenn die Schmelzerei das Recht kommender Generationen auf eine intakte Umwelt verletzt. Für Taylor steht fest: «Dass DPM nun anscheinend nicht die volle Verantwortung für den eigenen Beitrag zur Umweltverschmutzung in Tsumeb übernimmt, setzt eine lange Geschichte westlicher Unternehmen fort, die in Afrika ungestraft operieren.»
92 Prozent der Todesfälle aufgrund von Umweltverschmutzung werden in Ländern mit tiefen oder mittleren Einkommen (LMICs) verzeichnet, viele davon in Afrika. In der namibischen Verfassung steht, dass die Regierung «Massnahmen gegen die Ablagerung oder Wiederverwertung ausländischer nuklearer und toxischer Abfälle auf namibischem Hoheitsgebiet treffen» soll. Weiter ist in der Verfassung geregelt, dass das «Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung», das von 191 Staaten ratifiziert wurde, darunter Namibia, Kanada und die Schweiz, als Teil der namibischen Gesetzgebung angewandt wird. Damit soll verhindert werden, dass reiche Staaten toxische Abfälle in ärmeren Ländern entsorgen. Arsen wird im Übereinkommen explizit genannt.
Versuche, juristisch gegen DPM vorzugehen, sind bislang gescheitert. Das namibische «Legal Assistance Centre», das Geschädigte auf Pro-Bono-Basis vertritt, nahm Untersuchungen auf, stellte den Fall jedoch ein, weil die Datenlage unzureichend war. 2019 hat die englische Anwaltskanzlei Leigh Day ein Dutzend Arbeiter interviewt und wollte DPM auf Schadenersatz verklagen. Weil das Unternehmen in Kanada registriert, Leigh Day aber in England ansässig ist, beabsichtigte die Kanzlei, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung mit Sitz in London für die Gesundheitsschäden in Tsumeb haftbar zu machen. Die Bank hatte den Ausbau von DPMs Mine in Bulgarien von Januar 2017 bis Juli 2024 mit insgesamt 40 Millionen US-Dollar mitfinanziert. Die Kläger argumentierten, dass die Bank vom Risiko einer Arsenvergiftung der Arbeiter in Tsumeb wusste oder hätte wissen müssen. Es zeigte sich jedoch bald, dass die Bank weitreichende Immunität geniesst und nur schwer vor einem nationalen oder internationalen Gericht belangt werden kann.
Jetzt bei Standaktion mitsammeln!
Hier anmeldenArsendeponie gefährdet Grundwasser
Ende August gab die nationale Wettbewerbskommission Namibias nach fünfmonatiger Beratung grünes Licht für den Verkauf der Schmelzerei – ohne jegliche Auflagen bezüglich einer sicheren Lagerung der Arsenabfälle. Obschon genau dies von NGOs, Forschenden und der Bevölkerung in Tsumeb gefordert wird. «Weshalb hat DPM ausgerechnet Namibia ausgewählt, um diese Abfälle zu deponieren?», fragt Richard Naobeb, Mitglied von TCCR, der Bürgerbewegung, welche die Demonstration gegen DPM organisiert hatte. «Und nun verkaufen sie die Schmelzerei einfach an ein chinesisches Unternehmen und rennen davon – ohne jegliche Verantwortung übernehmen zu müssen!» Er fragt sich, ob es einen Plan für die Schliessung der Arsendeponie gibt und ob ein Fonds eingerichtet wurde für die Sanierung des Bodens. Er weiss es nicht, denn von DPM hat er darauf nie eine Antwort erhalten. «Sie müssen diese Arsendeponie entfernen!», sagt Naobeb. «Es geht nicht nur um uns, sondern auch um die Zukunft unserer Kinder.»
Manche in Tsumeb sagen, dass die «Hazardous Waste Disposal Site» eine tickende Zeitbombe sei. Sie wurde 2012 auf einem Grundwasserleiter von nationaler Bedeutung angelegt, dem Tsumeb Karst-Aquifer, das mit weiteren Grundwasserleitern der Region verbunden ist. Die Deponie liegt in einer porösen Dolomitzone, die für ihre geologischen Verwerfungen und für die Bildung von Senklöchern (Dolinen) bekannt ist. Laut Experten hätte die Deponie nie an dieser Stelle gebaut werden dürfen. Arsentrioxid ist wasserlöslich, es kann durch starken Regen ausgewaschen werden. Bei einer lecken Stelle in der Auskleidung der Deponie besteht die Möglichkeit, dass Arsen grossflächig in den Boden diffundiert und ins Grundwasser gelangt, was katastrophal wäre. Die Trinkwasserversorgung Tsumebs basiert zu hundert Prozent auf Grundwasser. Über 80 Farmen nördlich von Tsumeb sind vom Grundwasser abhängig, für den Anbau von Gemüse, Mais, Weizen, Baumwolle und Zitronen.
Gefährdetes Grundwasser
2016 liess DPM von Geologen und Hydrologen des internationalen Umweltberatungsunternehmens «SLR» ein Gutachten für eine geplante Erweiterung der Schmelzerei erstellen. Sie sollte von einer Kapazität von 240’000 auf 370’000 Tonnen Kupfererz pro Jahr vergrössert werden. Die Experten von SLR kamen zum Schluss, dass negative Effekte der Schmelzerei auf die Grundwasserqualität bereits messbar sind und weiter zunehmen könnten. In Bohrlöchern auf dem Areal wurden Werte von Arsen, Molybdän und Sulfat gemessen, die über dem namibischen Grenzwert für Trinkwasser liegen. Bisher ist die Verunreinigung noch nicht bis in die Gebiete vorgedrungen, in welchen das Trinkwasser für die Bevölkerung gefasst wird, das zeigen auch Analysen der Universität Bern von Trinkwasserproben aus Tsumeb. Die Simulationen von SLR deuten darauf hin, dass sich die Schwermetallkontamination im Grundwasser langsam Richtung Norden ausbreiten wird, in Gebiete, wo heute Landwirtschaft betrieben wird. Die Experten empfahlen damals eine grossflächige Sanierung der bestehenden Deponien.
Was eine Sanierung nach internationalen Standards bedeuten würde, sieht man derzeit in Yellowknife, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Nordwest-Territorien. Dort werden 4,4 Milliarden US-Dollar investiert, um Arsenabfälle aus der Giant Mine sicher zu lagern. 237’000 Tonnen Arsentrioxid wurden jahrelang in 15 verschlossenen Kammern 76 Meter unter der Erdoberfläche gelagert. Um Auswaschungen und die Kontamination des Grundwassers zu verhindern sowie die Deponie langfristig zu sichern, werden die Kammern nun permanent eingefroren. Ein enorm aufwendiges Unterfangen, das voraussichtlich bis 2038 dauern wird. Bezahlt von kanadischen Steuerzahler:innen, nachdem das dafür verantwortliche Unternehmen «Royal Oak Mines Inc.» 1999 Konkurs angemeldet hatte.
«Ein Beitrag, um die Welt zu retten»
Für Tsumeb gibt es keine entsprechenden Pläne. Obschon «Dundee Sustainable Technologies», eine Tochterfirma von DPM, auf ihrer Webseite eine «kosteneffektive» und «umweltverträgliche» Technologie zur Lagerung von Arsentrioxid anpreist. Durch Verglasung soll das Pulver gegen Auswaschung stabilisiert werden. Laut DPM gab es in Tsumeb einen Pilotversuch dazu. Beim Besuch der Schmelzerei Anfang August zeigt CEO Zebra Kasete ein kleines Stück Glas, das Arsentrioxid enthalten soll. Was die Verglasung von 300’000 Tonnen Arsentrioxid kosten würde, kann er nicht sagen. Und Pläne dafür scheint es keine zu geben. DPM muss sich darüber auch keine Gedanken mehr machen. Der chinesische Käufer «Sinomine Resource Group» übernahm die Schmelzerei im September mit sämtlichen «liabilities», also Verantwortlichkeiten und Haftbarkeiten. Ob dies der Grund für den niedrigen Verkaufspreis von 20 Millionen US-Dollar war?
Auch während unserer Tour über das Schmelzereiareal Anfang August deutet nichts darauf hin, dass die «Hazardous Waste Disposal Site» in Tsumeb bald geschlossen würde. Eine Mulde hat ihre maximale Kapazität bereits erreicht, sie wurde mit Kunststoffplanen abgedeckt. Eine zweite liegt offen und wird weiterhin befüllt. Und bereits wird eine dritte Mulde vorbereitet; eine Gruppe Männer, gekleidet in weisse Ganzkörperanzüge und mit Gasmasken auf dem Gesicht, schaufelt weisslich-gräuliches Pulver auf einen Haufen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind es Arsentrioxidreste aus dem Becken, das früher zum Auffangen von kontaminiertem Wasser genutzt wurde. Kasete bestätigt, dass die Deponie vergrössert werden soll, und sagt: «Wir gehen davon aus, dass wir noch Kapazitäten für weitere zwei bis drei Jahre haben.»
Am Ende der Fahrt über das staubige und mit Industrieabfall vollgestellte Schmelzereiareal zeigt Kasete eine kleine Recyclingstation, in welcher Plastik, Papier und Glas aus den Büros getrennt wird. Zwei Mitarbeiterinnen, das Gesicht ebenfalls hinter einer Gasmaske versteckt, sortieren gelangweilt Kartons. «Das ist unser kleiner Beitrag, um die Welt zu retten. Alle müssen einen Beitrag leisten», so der CEO. Stolz erzählt er, dass ein Mitarbeiter des Umweltministeriums die Station eingeweiht und das Projekt als Vorbild für ganz Namibia gepriesen habe. Bezüglich der von DPM breit kommunizierten Renaturierung des Areals verweist Kasete auf ein «phyto-remediation project». Rund um die Schmelzerei wurden nach eigenen Angaben 15’000 Tamarisken gesetzt, eine widerstandsfähige Baumgattung, die auch mit trockenen und salzhaltigen Böden zurechtkommt. Sie sind dafür bekannt, dass sie Schwermetalle aus der Erde ziehen und diese im Holz einlagern. Wenn sie gross genug sind, sollen sie im Ofen der Schmelzerei verbrannt werden. «Wir wollen ein positives Erbe hinterlassen und den Ort sauberer verlassen, als wir ihn angetroffen haben», sagt Kasete. Dioni Davindschima, die bei DPM für das Projekt zuständig ist, zeigt uns die Tamarisken. Sie sind erst brusthoch, wachsen in einer pechschwarzen, sandigen Erde, die eigentlich rötlich sein sollte. Sie sehen schütter und schwach aus. Wir fragen Davindschima, ob alle ursprünglich gepflanzten Bäume überlebt haben. «Nein, etwa 40 Prozent sind gestorben», sagt sie. «Wahrscheinlich wegen der Erde.»
Kannst du das Crowdfunding für unsere Initiative unterstützen?
Jetzt spenden!Einschätzung der Koalition für Konzernverantwortung
Hätte DPM seinen Konzernsitz in einem EU-Land, dürfte er Namibia künftig nicht einfach den Rücken kehren, ohne seine Verantwortung für die betroffenen Arbeiter:innen, die Anwohnenden und die zurückgelassenen Abfälle zu übernehmen. Die neue Konzernverantwortungsrichtlinie (CSDDD), die Mitte 2024 von der EU verabschiedet wurde, verpflichtet Konzerne nämlich verbindlich, bei ihren Geschäften Menschenrechte und Umweltbestimmungen einzuhalten. Verstösst ein Konzern dagegen, muss er künftig für die angerichteten Schäden geradestehen. In der Schweiz gibt es jedoch nach wie vor kein Konzernverantwortungsgesetz, IXM mit Sitz in Genf muss daher keine Konsequenzen befürchten für die Umweltverschmutzung in Tsumeb, obwohl der Konzern jahrelang davon profitierte. Auch in Kanada gibt es bisher noch kein umfassendes Konzernverantwortungsgesetz, im Parlament ist aber ein entsprechender Gesetzesvorschlag hängig. In Kanada kam es aufgrund eines anderen Rechtssystems in der Vergangenheit zudem mehrfach zu Gerichtsverfahren gegen Konzerne, die mit Vergleichen beendet wurden – was so in der Schweiz nicht möglich wäre.
Ob sich IXM je um Menschenrechte und Umweltauflagen kümmern muss, bleibt ungewiss: Die Schweiz ist bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung. Der Fall Tsumeb zeigt damit einmal mehr, weshalb es auch in der Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz braucht, um Konzerne wie IXM zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu verpflichten und bei Verstössen für die angerichteten Schäden zur Verantwortung ziehen zu können.