Fallbeispiel

Schweizer Agrarkonzerne profitieren von Abholzung im Amazonas

Die Agrarkonzerne Cargill, Bunge, Cofco International und Amaggi operieren von der Schweiz aus weltweit im Agrar-Business. Wie acht konkrete Beispiele zeigen, handeln sie mit Soja von zweifelhaften Farmen in Brasilien, die für Abholzung im Amazonas und im Cerrado verantwortlich sind.

Feuer in einer Sojaplantage in Mato Grosso, Brasilien. © Christian Braga / Greenpeace

In Brasilien befinden sich grosse Teile von zwei der wichtigsten Ökosysteme der Welt. Der Amazonas erstreckt sich über eine Fläche von 6,7 Millionen Quadratkilometern und ist somit etwa doppelt so gross wie Indien. Er ist nicht nur der grösste CO2-Speicher der Welt, er beherbergt auch rund 10% aller bekannten Arten und 20% des Süsswassers der Welt. Etwas weniger bekannt ist der Cerrado, eine tropische Savanne mit vielen Bäumen, die sich über ein Gebiet von mehr als zwei Millionen Quadratkilometern erstreckt und damit so gross ist wie Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien zusammen. Auch der Cerrado ist ein für das globale Klima elementarer Kohlestoffspeicher und entscheidend für die Wasserversorgung Brasiliens.

Für die Soja-Produktion wird der Wald gerodet

Brasilien ist der grösste Sojaproduzent und -exporteur der Welt. 2021 produzierte das Land 135 Millionen Tonnen Soja, davon wurden 105,5 Millionen Tonnen exportiert. Soja wird als Tierfutter, zur Herstellung von Pflanzenöl und Biodiesel sowie in der Lebensmittelindustrie verwendet. Die Ausweitung von Sojaplantagen ist nach der Ausweitung von Weideland für die Viehzucht die zweitgrösste direkte Ursache für Abholzung weltweit. Sowohl im Amazonas als auch im Cerrado führt die Abholzung zu massiven Schäden: Bedrohte Tierarten verlieren ihren Lebensraum, einzigartige Ökosysteme werden zerstört und indigene Völker werden vertrieben.

Feuer in einem kürzlich abgeholzten Gebiet im Amazonas © Marizilda Cruppe / Greenpeace

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Sojaplantagen und Silos im Cerrado © Marizilda Cruppe / Greenpeace

Das Soja-Moratorium

Bereits 2006 wurde, um die Abholzung im Amazonas zu bekämpfen, das Soja-Moratorium ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Vereinbarung zwischen den führenden Sojahändlern und -verarbeitern, deren brasilianischen Verbänden, NGOs und seit 2008 der brasilianischen Regierung. Gemäss Moratorium darf kein Soja gekauft, gehandelt oder finanziert werden, das auf Land im Amazonasbiom angebaut wurde, welches nach Juli 2008 für den Sojaanbau gerodet wurde.

Die Einhaltung des Moratoriums wird von Abiove – dem brasilianischen Verband der Pflanzenölindustrie –, verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Greenpeace und anderen Mitgliedern der begleitenden Arbeitsgruppe kontrolliert. Wenn ein Sojaproduzent dagegen verstösst, wird er auf eine Liste gesetzt und die abgeholzte Fläche «gesperrt». Da es sich aber nicht um ein Gesetz handelt, kommt es bei einem Verstoss gegen das Moratorium (= der Einkauf von Soja aus abgeholzten Flächen) nicht zu juristischen Konsequenzen. Das Soja-Moratorium ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch wie die Beispiele in diesem Fallartikel zeigen, reicht es nicht aus, um problematische Soja-Geschäfte von globalen Agrarkonzernen zu verhindern.

Globale Agrarkonzerne dominieren von der Schweiz aus das Soja-Business

Eine kleine Gruppe von Konzernen dominiert die Sojabranche, wobei sechs Unternehmen mehr als die Hälfte aller Sojaexporte aus Brasilien auf sich vereinen. Diese sechs Agrarhändler sind: Archer Daniels Midland (ADM), Amaggi, Bunge, Cargill, COFCO International (COFCO) und die Louis Dreyfus Company (LDC). Diese sechs Konzerne nutzen die Schweiz als eine Drehscheibe für ihr weltweites Agrar-Business. Eine weitere wichtige Soja-Händlerin ist die Syngenta-Tochterfirma Nutrade, die bereits mit problematischen Kaffeeexporten in den Schlagzeilen war.

Archer Daniels Midland (ADM)

  • ADM ist ein Agrarunternehmen, welches im Bereich der Human- und Tierernährung tätig und gemäss eigenen Angaben «das weltweit führende Unternehmen in der landwirtschaftlichen Erzeugung und Verarbeitung» ist. ADM hat seinen Hauptsitz in Chicago, Illinois, in den USA.
  • Im Jahr 2023 hatte Archer-Daniels-Midland Company einen Jahresumsatz von 93,94 Milliarden US-Dollar.
  • Der europäische Hauptsitz von ADM befindet sich in Rolle im Kanton Waadt. Dieser ist auch zuständig für Afrika und den Mittleren Osten. Der Sitz in Rolle ist auch der Handelshauptsitz von ADM.

Amaggi

  • Amaggi hat seinen Hauptsitz in Cuiabá, Mato Grosso, Brasilien und ist gemäss eigenen Angaben derzeit das grösste brasilianische Unternehmen in den Bereichen Getreide und Fasern (Soja, Mais und Baumwolle) des Landes.
  • 2021 erzielte Amaggi einen Umsatz von umgerechnet rund 700 Millionen US-Dollar.
  • Amaggi hat einen Sitz in Lausanne. Gemäss eigenen Angaben verwaltet die Amaggi SA hauptsächlich Exporte aus Südamerika nach Nordafrika, dem Mittleren Osten und Asien. Zudem kümmert sie sich um die Seefrachtaktivitäten und chartert Schiffe für den Transport von Gütern.

Bunge

  • Bunge Limited ist ein weltweit tätiges Agrar- und Nahrungsmittelunternehmen. Das Unternehmen kauft, verkauft, lagert, transportiert und verarbeitet Ölsaaten und Getreide für die Herstellung von Proteinmehl für Tierfutter und Speiseölprodukte. Zudem produziert Bunge Zucker und Ethanol aus Zuckerrohr und mahlt Weizen und Mais. Gemäss eigenen Angaben ist Bunge Weltmarktführer in der Ölsaatenverarbeitung.
  • 2023 erzielte Bunge einen Umsatz von 59,5 Milliarden US-Dollar und einen Reingewinn von 2,3 Milliarden US-Dollar.
  • Schon seit längerem betreibt Bunge eine Handelsniederlassung in Genf. Seit November 2023 hat Bunge nun aber auch seine Niederlassung («place of incorporation») von Bermuda in die Schweiz verschoben. Somit ist Bunge ab 2024 ein Schweizer Unternehmen unter Schweizer Gesetz und heisst offiziell Bunge Global SA.Der Hauptsitz des Unternehmens ist zwar nach wie vor in St. Louis, Missouri, doch der operative Geschäftssitz («principal executive office») wurde nach Genf verschoben.

Cargill

  • Cargill ist in der Vermarktung, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Getreide, Ölsaaten, Zucker, Fleisch und anderen Nahrungsmitteln sowie Baumwolle tätig. Zudem stellt das Unternehmen natürliche Inhaltsstoffe für die Körperpflegeindustrie, Tiernahrung, Tierfutter und bioindustrielle Produkte her. Darüber hinaus produziert und vertreibt das Unternehmen Stärke und Stärkesüssstoffe, Ethanol-Kraftstoff und Biodiesel. Cargill hat seinen Hauptsitz in Minneapolis in den USA.
  • Cargill verzeichnete für das Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 177 Milliarden US-Dollar.
  • Cargill hat einen Sitz in Genf (Cargill International SA). Gemäss eigenen Angaben ist der Sitz in Genf ein wichtiger Standort für Cargill, da von Genf aus der globale Handel mit Getreide und Ölsaaten gesteuert wird. Zudem dient der Sitz in Genf auch als globaler Hauptsitz für den Frachthandel und die Schifffahrt.

COFCO International (COFCO)

  • COFCO International ist der internationale Handelszweig des chinesischen öffentlichen Konglomerats «China National Cereals, Oils and Foodstuff Corporation» (COFCO). COFCO International hat seinen Hauptsitz in Genf.
  • COFCO Corporation (der Mutterkonzern) ist als Lieferant von Agrarprodukten tätig. Das Unternehmen liefert Speiseöle, Mais, Weizen, Reis, Gemüse, Zucker und andere Produkte. COFCO ist auch in der Immobilienentwicklung, im Finanzwesen und in anderen Bereichen tätig. Die COFCO Corporation hat ihren Hauptsitz in Peking.
  • Im Jahr 2023 erzielte COFCO International einen Umsatz von 50,1 Milliarden US-Dollar.

Louis Dreyfus Company (LDC)

  • Louis Dreyfus Company ist als Händlerin und Verarbeiterin von Agrarprodukten tätig. Das Unternehmen bietet Rohstoffe wie Getreide, Ölsaaten, Reis, Zucker, Ethanol, Kaffee und Baumwolle an.
  • LDC erzielte 2023 einen Umsatz von 50,6 Milliarden US-Dollar.
  • LDC hat zwar seinen Hauptsitz in Rotterdam, gemäss Public Eye ist aber die Handelsabteilung in Genf die umsatzstärkste Niederlassung und scheint sowohl der operative Hauptsitz als auch der EMEA-Sitz (Europa, Mittlerer Osten, Afrika) für Handel mit Getreide, Ölsaaten, Reis, Kaffee, Baumwolle, Zucker und Orangensaft sowie für das Frachtgeschäft zu sein.    

Nutrade

  • Nutrade Comercial Exportadora Ltda ist eine Tochterfirma der brasilianischen Syngenta Proteção de cultivos LTDA, die wiederum zu 100% der Syngenta AG mit Sitz in Basel gehört.
  • Nutrade hat den Sitz im brasilianischen São Paolo und betreibt Gross- und Einzelhandel mit Nahrungsmitteln wie Getreide und Kaffee und mit Saatgut wie Mais, Weizen, Hafer, Gerste, Reis, trockene Bohnen und Soja.
COFCO International ist der Handelsarm des staatlichen chinesischen Konglomerats mit Sitz in der Schweiz. © COFCO International

Acht aktuelle Fälle zeigen, wie die Agrarkonzerne von Abholzung profitieren

Die Organisationen Mighty Earth und Repórter Brasil haben in mehreren Recherchen aufgedeckt, dass Soja von problematischen Sojaproduzenten, die für Abholzung im Amazonas und im Cerrado verantwortlich sind, bei verschiedenen Agrarkonzernen landete.

Farm Abgeholzte Fläche Jahr Konzerne, die nach der Abholzung mit der Farm geschäftet haben
Fazenda Santa Isabel Ca. 1’900 Hektar 2021 Bunge
516 Hektar 2023
Fazenda Ipê Ca. 8’000 Hektar 2022 Bunge
Fazenda Cajueiro 215 Hektar 2022 Bunge
João Luiz Lazarottos Farm 650 Hektar 2017 Cofco International, Nutrade, Bunge, Amaggi
9 Hektar 2018
Uggeri Agropecuaria 1’017 Hektar 2012 Cofco International, Nutrade
Fazenda Santa Ana Komplex 235 Hektar 2017 – 2022 Cargill
Fazenda Jan, Bardhal und Panela de Ferro 376 Hektar 2012 – 2018 Nutrade und Bunge
Fazenda Dona Josefa, São Miguel do Rio Preto und Emília 710 Hektar 2018 Bunge und Amaggi

Gemäss internationalen Umweltstandards müssten sich Agrarkonzerne darum kümmern, dass ihre Geschäfte nicht zur Abholzung von Regenwald und zur Zerstörung wichtiger Ökosysteme und damit zu einer weiteren Bedrohung von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten führen. Die Abholzung ist zudem nicht vereinbar mit einem glaubwürdigen Klimaplan, da der Amazonas und der Cerrado wichtige CO2-Speicher sind. Ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz kann also effektiv verhindern, dass Agrarkonzerne weiterhin von problematischer Abholzung profitieren.

In fast all den oben genannten Fällen war zumindest ein Teil der Abholzung auch gemäss brasilianischem Recht illegal oder verstiess gegen das Soja-Moratorium – einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den führenden Sojahändlern und der brasilianischen Regierung. Das Beispiel zeigt, dass man sich auf die Nachhaltigkeitsversprechen der Agrarhändler nicht verlassen kann, um die Abholzung des Amazonas-Regenwalds und die Zerstörung wichtiger Ökosysteme zu verhindern und dass sie viel zu häufig wegschauen, woher ihre Soja-Bohnen tatsächlich stammen.

Abholzung im Amazonasgebiet, in Lábrea, Bundesstaat Amazonas. © Christian Braga / Greenpeace

Grain-Laundering

Es kommt vor, dass ein Sojaproduzent Sojabohnen verkauft, bei denen er angibt, dass die Bohnen aus einem zugelassenen Gebiet stammen. Doch in der Realität werden die Sojabohnen von allen Flächen einer Farm, also sowohl aus regulären Anbauflächen, als auch von solchen, deren Abholzung illegal war oder gegen das Sojamoratorium verstiess, am selben Ort gelagert. Damit wird «reguläres» mit «irregulärem» Soja vermischt, um die Herkunft zu verheimlichen. Diese sogenannte «Getreidewäsche» – grain laundering – ist in Brasilien vielerorts Realität. Doch die Agrarkonzerne interessieren sich in vielen Fällen zu wenig dafür, ob die Farmen, mit denen sie zusammenarbeiten, Amazonas und Cerrado abholzen oder nicht.

Deshalb braucht es ein Schweizer Konzernverantwortungsgesetz

Mit einem Konzernverantwortungsgesetz müssten Bunge, Nutrade und Co. endlich griffige Massnahmen gegen die weitere Abholzung von Amazonas und Cerrado ergreifen und dafür geradestehen, wenn sie weiterhin mit Soja handeln, für dessen Produktion der Regenwald abgeholzt und wichtige Ökosysteme zerstört wurden.

Landschaft in der Cerrado Region in Brasilien. © Marizilda Cruppe / Greenpeace

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