Fallbeispiel

Massive Gewalt für Minenerweiterung – Gold landet bei Schweizer Raffinerie

Für die Vergrösserung der North Mara Goldmine in Tansania wurden 5’000 indigene Kuria mit Gewalt vertrieben. Davon profitiert die Schweizer Goldraffinerie MKS Pamp, die seit Jahren Gold aus der Mine verarbeitet.

Die North Mara Mine aus der Luft. © David Chancellor

Weit im Norden Tansanias, an der Grenze zu Kenia, betreibt der kanadische Bergbaukonzern Barrick Gold Corporation seit 2006 die umstrittene North Mara Goldmine. Tonnenweise Gold wird sowohl an der Oberfläche als auch tief im Boden abgebaut. Die Region um die Mine wird seit Generationen von der indigenen Gemeinschaft der Kuria besiedelt. In den an die Mine angrenzenden Dörfern Komarera und Kewanja verdienen die meisten ihren Lebensunterhalt als Bauern und Hirten. Überschüssige Erträge ihres Landes werden auf dem Markt verkauft, um Häuser zu bauen, Waren zu kaufen, die sie nicht selbst herstellen können, und das Schulgeld für ihre Kinder zu bezahlen.

Dörfer für Minenerweiterung dem Erdboden gleichgemacht


Die dramatischen Vorfälle, die sich hier zwischen November 2022 und September 2023 abspielten, reihen sich ein in rund zwei Jahrzehnte, die von Menschenrechtsverletzungen und massiver Gewalt durch die Minenpolizei geprägt sind.

Nachdem die Bevölkerung ab 2020 in einem Alibi-Konsultationsprozess (siehe Kasten weiter unten) dazu gebracht werden sollte, ihr Land zu verlassen, rückten im November 2022 Bulldozer an, die Teile der beiden Dörfer im Auftrag des Minenkonzerns Barrick dem Erdboden gleichmachten. Von Mining Watch Canada erhaltene Handyaufnahmen zeigen, wie die Dörfer gewaltsam geräumt und die Häuser der Anwohner:innen zerstört werden, um Platz für eine Vergrösserung der North Mara Goldmine zu schaffen. Die vertriebenen Kuria berichten, dass sie geschlagen, verletzt und aus ihren Häusern gezerrt wurden. Insgesamt rund 5’000 Kuria sind von der Zwangsumsiedlung betroffen, sie stehen nun vor dem Nichts: Viele wurden land- und obdachlos, weil sie sich wegen fehlender oder mangelhafter Entschädigungen kein neues Haus oder Land kaufen können. Ganze Familien sind traumatisiert von der Gewalt und Zerstörung, nicht wenige leiden nun Hunger und die Kinder können teilweise nicht mehr zur Schule.

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Die Räumung ist ein eindeutiger Verstoss gegen die Menschenrechte, die indigenen Völkern das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zur Nutzung ihres Landes zusichern. Auch für eine Umsiedlung wäre eine solche Zustimmung erforderlich gewesen. Die betroffenen Kuria wurden vom Minenkonzern weder konsultiert, noch haben sie ihre freie Zustimmung zur Minenerweiterung gegeben. Einige gaben an, vom Räumungsprozess erst erfahren zu haben, als er bereits im Gange war.

Alibi-Konsultationsprozess

Bereits der Prozess ab Mitte 2020 bis hin zur Räumung war in vielen Punkten problematisch: Die betroffenen Kuria wurden bei der Ausarbeitung des Umsiedlungsplans nicht miteinbezogen und bezüglich Ersatzland nicht konsultiert. Nachdem die Bewohner:innen sich der Schätzung ihrer Grundstücke durch eine private Firma friedlich widersetzt hatten, beauftragte Barrick die tansanische Regierung damit, die mit 16% an der North Mara Mine beteiligt ist. Der folgende Schätzungsprozess wird als manipulativ, einschüchternd und teilweise von Gewalt begleitet beschrieben. Von der Organisation Mining Watch interviewte Personen gaben an, unter Androhung oder auch Anwendung von Gewalt gezwungen worden zu sein, Dokumente zu unterschreiben. Dies auch, wenn sie nicht lesen konnten oder die benutzte Sprache nicht fliessend sprachen, und ohne ihre Entschädigung genau zu kennen. Sie wurden gedrängt, rückdatierte Dokumente zu unterschreiben, die ihnen eigentlich im Verlauf des Prozesses hätten vorgelegt werden müssen. Die Gutachter versuchten, nur für möglichst wenige Häuser und Landfläche entschädigen zu müssen, und legten Landpreise weit unter dem Wiederbeschaffungswert fest. Die schlussendlich ausbezahlten Entschädigungen waren oft viel zu tief – die betroffenen Kuria konnten sich damit keine gleichwertige neue Existenz aufbauen.

Die indigenen Kuria, die um die Mine leben, sind von Vertreibungen und Gewalt betroffen. © RAID

Als die Bulldozer anrückten, lebten viele Bewohner:innen nach wie vor in ihren Häusern, da sie keinen neuen Ort hatten, an dem sie leben konnten. Andere hatten in die angebotene Entschädigung nie eingewilligt und gingen davon aus, dass ihre Häuser deshalb nicht einfach zerstört werden können.

15 Jahre Gewalt und Verschmutzung

Die aktuelle Vertreibung ist kein Einzelfall: Bereits zwischen 2012 und 2014 wurden Menschen in den Dörfern Nyangoto, Matongo, Kewanja und Nyakunguru darüber informiert, dass sie für das Minenprojekt ihr Land verlassen müssen. Der Entschädigungsprozess startete erst 2016 auf Druck des Regionalgouverneurs, beinhaltete aber viel zu tiefe Zahlungen und wurde nie zu Ende geführt. Die Betroffenen sind ebenfalls indigene Kuria. Sie warten gemäss der Organisation Mining Watch teilweise bis heute auf eine Entschädigung.

Wissenschaftliche Studien, Arztberichte und Berichte der ansässigen Bevölkerung belegen zudem eine zwischen 2009 und 2019 andauernde Verschmutzung des Grundwassers und der nahegelegenen Flüsse und Bäche mit giftigem Abraum. Die tansanischen Behörden sahen die damalige Tochterfirma von Barrick als verantwortlich für die Verschmutzung und büssten sie.

Sicherheitskräfte sind für Gewalt und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. © David Chancellor

Schon seit Jahren kommt es um die North Mara Mine zu Problemen. © David Chancellor

Doch damit nicht genug: Laut Berichten wurden zwischen 2014 und 2019 insgesamt 22 Menschen, die in den Abraumhalden der Mine unerlaubt nach letzten Resten Gold suchten, von der Minenpolizei erschossen. Viele waren verzweifelt, weil sie ihr Land wegen der Mine verloren hatten und versuchten, sich durch diese Goldresten zumindest ein kleines Einkommen zu sichern. Die Minenbetreiberin stellt sich auf den Standpunkt, nicht für die Erschiessungen mitverantwortlich zu sein. Doch ein Memorandum of Understanding zeigt, wie eng die Beziehung zwischen der Minenbetreiberin und der Polizei ist: So finanziert die Mine der Polizei die Fahrzeuge, das Benzin, die Verpflegung und die Unterkunft.

In früheren Berichten haben mehrere Frauen ausgesagt, dass sie massive Gewalt durch die Sicherheitskräfte der Mine erfahren haben. Einige erzählen gegenüber Forbidden Stories von Vergewaltigungen und den traumatischen Folgen, die diese auf ihr Leben haben. Journalist:innen, die kritisch über die Mine berichteten, wurden bedroht oder verloren ihre Stelle.


Die Schweizer Raffinerie MKS Pamp profitiert über Jahre

Seit 2013 wird das Gold aus der North Mara Mine hauptsächlich von der Schweizer Goldraffinerie MKS Pamp abgenommen, die trotz den massiven Problemen vor Ort bis heute von der Mine profitiert. MKS Pamp hat den Hauptsitz in Genf und betreibt eine Raffinerie im Tessin sowie in Indien.

Der Fall zeigt leider auch einmal mehr exemplarisch, weshalb die brancheneigenen Nachhaltigkeitszertifikate praktisch wertlos sind: So ist MKS Pamp seit Jahren auf der Good Delivery List der London Bullion Market Association (LBMA). Dieser Industrieverband der Goldraffinerien, Banken und Goldhändler bescheinigt damit die Qualität und Nachhaltigkeit des von MKS Pamp raffinierten Goldes. Besonders interessant: MKS Pamp ist eine der 5 «Schiedsrichter-Raffinerien», welche die LBMA ernannt hat, um über die Zertifizierung zu wachen. Zu deren Aufgaben gehört unter anderem das anonyme, proaktive Monitoring der Raffinerien auf der Good Delivery List. MKS Pamp ist zudem vom Responsible Jewellery Council (RJC), einer weiteren brancheneigenen Nachhaltigkeitsinitiative, zertifiziert. Dies, obwohl die Probleme um die North Mara Mine kein Einzelfall sind: Erst im Oktober 2023 wurde beispielsweise bekannt, dass MKS Pamp auch das Gold einer Mine in Liberia abnimmt, die zu einer starken Umweltverschmutzung führt.

Die Raffinerie MKS Pamp im Tessin © MKS Pamp

Die Schweiz gilt als weltweit grösste Drehscheibe für Gold, rund ein Drittel des global geförderten Goldes wird über die Schweiz importiert, raffiniert und exportiert. Doch die grossen Goldraffinerien wie MKS Pamp müssen heute nicht dafür geradestehen, wenn sie Gold aus hochproblematischen Quellen beziehen. Damit sich das ändert und die Raffinerien ihre eigenen Nachhaltigkeitsversprechen endlich einhalten, braucht es dringend auch in der Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz.

Die Ausreden der Raffinerie

Sowohl 2020 als auch 2022 gelangte die Organisation RAID an die LBMA und verlangte – aufgrund anhaltender Berichte über die Gewalt und Umweltverschmutzung – MKS Pamps indische Tochterfirma MMTC-PAMP von seiner Good Delivery List auszuschliessen. 2022 entschied die LBMA aber nach ihrer Überprüfung, MMTC-PAMP nicht auszuschliessen. Eine externe Untersuchung in den Jahren 2020 und 2022 im Auftrag der Raffinerie kam zwar zum Schluss, dass in der North Mara Mine zahlreiche «Risiken mit hoher Priorität» bestünden, es jedoch die Möglichkeit positiver Veränderungen gäbe und gewisse Fortschritte erzielt wurden.

Diese Untersuchungsergebnisse nutzte MKS Pamp in den letzten Jahren, um zu behaupten, in der eigenen Lieferkette keinen null-Toleranz Verstoss gegen die Responsible Gold Guidance Regeln der LBMA festgestellt zu haben und dass ihr Zulieferer Barrick «messbare Fortschritte im Umgang mit Landkonflikten» mit der lokalen Bevölkerung gemacht habe. Heute zeigt sich, dass Barrick selbst die grundlegendsten Empfehlungen der von der Raffinerie selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung nicht eingehalten hat. So wurde beispielsweise festgehalten, dass unumgängliche Umsiedlungen im Einklang mit internationaler Good Practice geplant und umgesetzt werden sollten. Barrick behauptet zwar, sich daran zu halten und ist Mitglied einer Brancheninitiative, die sich die Einhaltung freiwilliger internationaler Standards auf die Fahne geschrieben hat. Doch wie die massive Gewalt zwischen November 2022 und September 2023 zeigte, hat sich die Situation im Vergleich zu früheren Vertreibungen in keinster Weise verbessert. Die internationalen Menschenrechts-Standards wurden nicht eingehalten, ebenso wenig wie daran angelehnte freiwillige Branchenstandards. Gemäss Informationen von Mining Watch Canada werden zudem bis heute immer wieder Menschen auf dem Minengebiet oder in deren Umfeld durch die Minenpolizei getötet.     

© David Chancellor

Mehr Informationen:

Bericht von Mining Watch vom Dezember 2023: Evicted for Gold Profits: Indigenous Kuria forced off land in expansion of Barrick Gold’s North Mara Gold Mine in Tanzania

Briefing Paper von RAID vom 11. November 2022: Barrick’s Tanzania Gold Mine One of the Deadliest in Africa

Recherche von Forbidden Stories vom Mai 2019: Silence is golden for a Tanzanian mine

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