Neue Schlupflöcher für Konzerne beschlossen: Bundesrat ignoriert Volksmehr und Vernehmlassung
Der Bundesrat hat heute die Verordnung über den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative definitiv beschlossen. Trotz massiver Kritik von über 40 Organisationen und 20’000 Privatpersonen in der Vernehmlassung sind die Anpassungen nur kosmetisch und die Regulierung bleibt eine Alibi-Übung.
Die Umsetzungsverordnung des Bundesrates enthält auch nach der Vernehmlassung dermassen viele Ausnahmeregelung, dass sich fast alle Konzerne von der Regulierung befreien können. So reicht es beispielsweise, festzuhalten, dass man sich an ein internationales Regelwerk halte. Auch sind Konzerne ausgenommen, wenn die Endfertigung ihrer Produkte in einem Land mit wenig Risiken für Kinderarbeit geschieht: Vertreibt ein Schweizer Konzern einen Schuh «Made in Germany» (nur Endmontage in Deutschland), kann er das neue Gesetz ignorieren, obwohl die Bestandteile des Schuhs in einem Drittstaat mit Kinderarbeit produziert sein können.
«Diese Regulierung wird Kinderarbeit nicht verringern. Denn gerade diejenigen Konzerne, die Kinderarbeit in Kauf nehmen, werden eine der zahlreichen Ausnahmeregeln nutzen. Damit verlieren wir auch international immer mehr den Anschluss. Gerade gestern hat der zuständige niederländische Minister ein griffiges Gesetz angekündigt, das sich auf alle Menschenrechte beziehen wird.» kommentiert Dietrich Pestalozzi, Unternehmer und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung.
Über 40 Nichtregierungsorganisationen, 20’600 Privatpersonen, verschiedene Kantone, Parteien und Wirtschaftsverbände haben in der Vernehmlassung die Verordnung kritisiert und den Bundesrat aufgefordert, die Schlupflöcher zu stopfen. «Es ist demokratiepolitisch ein absolutes No-Go, dass der Bundesrat nicht nur das Volksmehr zur Konzernverantwortungsinitiative, sondern auch die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsantworten ignoriert», sagt Dominique de Buman, Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung.
So schreibt beispielsweise der Kanton Bern: «Das Bundesparlament hat den konkreten Geltungsbereich der Regelungen zum indirekten Gegenvorschlag im Wesentlichen an den Bundesrat delegiert. Dieser hat diesen Geltungsbereich nun so ausgestaltet, dass ein sehr grosser Kreis von Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit wird. Der Regierungsrat des Kantons Bern nimmt dies mit Bedauern zur Kenntnis. Einerseits wird damit die Wirkung des indirekten Gegenvorschlags verwässert. Andererseits wird ein Anliegen, dem national immerhin eine knappe Mehrheit von rund 51 Prozent der Stimmbevölkerung zugestimmt hat, nicht wirklich Rechnung getragen.»
Der Gegenvorschlag wird nun auf 1. Januar 2022 in Kraft treten, die Konzerne müssen allerdings erst über das Geschäftsjahr 2023 berichten. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in der EU ist es wahrscheinlich, dass die Schweiz bis dahin das einzige Land in Europa ohne griffiges Konzernverantwortungsgesetz sein wird. Die Koalition für Konzernverantwortung wird ihr Engagement für verbindliche Regeln deshalb in den nächsten Monaten verstärken.
«Anleitung zum Wegschauen»:
Zur ausführlichen Kritik der Koalition für Konzernverantwortung an der Verordnung