Europäische Konzernverantwortungsrichtlinie final verabschiedet
Der EU-Ministerrat hat die neue Konzernverantwortungsrichtlinie heute final verabschiedet. Sie verpflichtet Konzerne in 27 Mitgliedsländern zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards. Die Koalition für Konzernverantwortung fordert, dass nun auch die Schweiz ein international abgestimmtes Konzernverantwortungsgesetz einführt.
Umfassende Pflichten für Grosskonzerne
Die neue europaweite Konzernverantwortungsrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive CSDDD) wurde heute von den EU-Mitgliedsstaaten final verabschiedet, nachdem am 24. April bereits das EU-Parlament grünes Licht gegeben hatte.
Die Richtlinie verpflichtet grosse Unternehmen europaweit dazu, bei ihren Geschäften Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten und ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Kontrolliert wird die Einhaltung der Pflichten durch eine nationale Aufsichtsbehörde mit Bussenkompetenz. Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden, für die Konzerne mit Sitz in der EU verantwortlich sind, können neu zudem vor Gericht auf Schadenersatz klagen.
Die Richtlinie tritt diesen Sommer in Kraft, alle EU-Staaten müssen sie innerhalb von zwei Jahren umsetzen.
Breite Unterstützung in Europa
Während den Diskussionen über die neue EU-Richtlinie traten zahlreiche Unternehmen an die Öffentlichkeit, um sich für die neuen Konzernverantwortungsregeln auszusprechen – darunter bekannte Firmen wie H&M, Lidl, Aldi, Unilever, BAYER, Volvo, Scania, adidas, Danone, Ferrero, Mutti, Nokia, Electrolux, Lego oder L’Oréal.
Die finale Version der Richtlinie wird von Vertreter:innen aller politischer Lager mitgetragen: Im EU-Parlament stimmte eine deutliche Mehrheit mit 374:235 Stimmen zu, im Ministerrat stellte sich eine Mehrheit der Staaten, die gemeinsam mehr als 65% der Bevölkerung der EU vertreten, hinter die Richtlinie. Auch anfängliche Kritiker der Richtlinien wie Schweden, stimmten dem Kompromiss am Schluss zu.
Schweiz bald einziges Land ohne Konzernverantwortung
Noch 2020 warnten die Gegner:innen im Abstimmungskampf über die Konzernverantwortungsinitiative, die Schweiz würde «weltweit einzigartige Haftungsregeln» einführen. Bundesrätin Keller-Sutter versprach, «international abgestimmt» vorgehen zu wollen und «gleich lange Spiesse» für Unternehmen in der Schweiz und der EU anzustreben.
Trotz des aussergewöhnlichen – und später von der GPK-N deutlich kritisierten – Engagements des Bundesrats, erreichte die Initiative das Volksmehr. Da die Initiative am Ständemehr scheiterte, trat aber der unverbindliche Gegenvorschlag in Kraft. Die Schweiz ist so bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung.
Dominique de Buman, Alt-Nationalrat der Mitte-Partei und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, sagt dazu: «Gerade auch wegen des sehr knappen Resultats ist für uns klar, dass der Bundesrat sein Versprechen aus dem Abstimmungskampf – international abgestimmt vorzugehen – nun auch einhalten muss. Die Schweiz braucht ein Konzernverantwortungsgesetz, damit problematische Goldraffinerien oder Rohstoffkonzerne wie Glencore endlich anständig geschäften und für verursachte Schäden geradestehen müssen.»
Wirtschaftsakteure verlangen Nachvollzug – Bundesrat blockiert
Doch das Dossier kommt in der Schweiz nicht voran. Der Bundesrat möchte diesen Sommer lediglich eine kleine Anpassung der EU-Berichterstattungspflichten in die Vernehmlassung schicken. Und dies, obwohl die EU-Kommission bereits 2020 festhielt, dass Berichterstattungspflichten alleine nichts bringen, um problematische Geschäfte zu stoppen.
Diese Blockade wird auch aus der Wirtschaft immer lauter kritisiert: So äusserten sich in den letzten Monaten mehrere Wirtschaftsverbände in den Medien, um die Wichtigkeit eines raschen Nachvollzugs der EU-Konzernverantwortungsrichtlinie zu betonen (La Liberté, Tages-Anzeiger, Blick).
Neue Konzernverantwortungsinitiative
Wie dringend das Thema Konzernverantwortung in der Schweiz nach wie vor ist, sieht man an den vielen Medienberichten, die zu immer neuen Fällen von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung erscheinen. Sei es eine Glencore-Mine in Peru, die einen ganzen Landstrich vergiftet, eine angebliche Vorzeigemine der Schweizer Goldindustrie, in der massive Sicherheitsmängel herrschen oder eine Syngenta-Tochterfirma, die von sklavereiähnlichen Zuständen profitiert – diese Fälle zeigen, dass es griffige Regeln braucht, damit auch Konzerne mit Sitz in der Schweiz für solche Machenschaften geradestehen müssen.
Wie die Koalition für Konzernverantwortung bereits angekündigt hat, bereitet sie aktuell die Lancierung einer neuen Konzernverantwortungsinitiative vor, damit der Bundesrat das Thema nicht mehr auf die lange Bank schieben kann.
Dominique de Buman, Alt-Nationalrat der Mitte-Partei und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, kommentiert: «Wir sind daran, die europäische Konzernverantwortungsrichtlinie genau zu analysieren und einen auf die Schweiz angepassten Initiativtext zu erarbeiten. Die Initiative soll in den nächsten Monaten lanciert werden.»
Weitere Informationen:
- Was bisher geschah: Das lange Engagement für Konzernverantwortung in der Schweiz
- Aktuelle Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung